Van der Bellen: Wirtschaftsprofessor und Wandlungskünstler

Alexander Van der Bellen im März 1992.
Alexander Van der Bellen im März 1992.(c) APA
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Er machte zunächst in der Universität und später in der Politik Karriere – der ungewöhnliche Werdegang von Alexander Van der Bellen.

Wien. Ein blaues Wunder hatte man erwartet, ein grünes ist es geworden. Alexander Van der Bellen wird mit 72 Jahren als erster Grüner österreichisches Staatsoberhaupt – der bisherige Höhepunkt der Karriere eines politischen Spätzünders.

Geboren in Wien und aufgewachsen im Tiroler Kaunertal, studierte der Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters Volkswirtschaft und unterrichtete als Professor sowohl in Innsbruck als auch in Wien, wo ihn das grüne Urgestein Peter Pilz kennenlernte und das frühere SPÖ-Mitglied in seine Partei lockte. Als Kandidat für den Rechnungshof-Präsidenten noch gescheitert, zog Van der Bellen wenig später 1994 als Abgeordneter in den Nationalrat ein.

Es dauerte nicht lang, bis der fachkundige Professor mit guter Rhetorik, versehen mit einem Schuss Humor, zum Star der Grünen aufstieg und das, obwohl seine Positionen der Basis bis heute zu wirtschaftsliberal sind. Das hinderte die Partei nicht, ihn 1997 zum Bundessprecher und 1999 zum Klubobmann zu machen. Über ein Jahrzehnt prägte Van der Bellen die Politik der Grünen. Wahlerfolge folgten, manche größer, manche kleiner. Eine schwere Niederlage gab es für Van der Bellen am Verhandlungstisch, als sich Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) für Schwarz-Blau entscheiden musste, nachdem Teile der (Wiener) Basis gegen Schwarz-Grün rebellierten.

Rückzug als Bundessprecher 2008

Danach wirkte Van der Bellen deutlich weniger motiviert. Als die Wahl 2008 nicht so gut lief wie erhofft, übergab er die Staffel an Eva Glawischnig. Er selbst blieb zunächst im Nationalrat, wurde von den Wienern mit Vorzugsstimmen in den Landtag gewählt und holte sich eine Imagedelle, als er das direkt vergebene Mandat erst nach über einem Jahr Schreckstarre annahm und sich anschließend den Posten des Wiener Universitätsbeauftragten umschnallen ließ.
In der Präsidentschaftskampagne – seine Kandidatur gab er am 8. Jänner 2016 bekannt, nachdem sie sich bereits im November 2014 mit der Reservierung der Domain www.vdb2016.at durch die Grünen angekündigt hatte – gab es einen geänderten Van der Bellen zu sehen. Nie zuvor wirkte er so gecoacht, nie so populistisch. Am deutlichsten wurde dies mit seinem Schwenk in Sachen Freihandelsabkommen TTIP, bei dem er dem Wahlkampf geschuldet vom sanften Befürworter zum vehementen Gegner wurde.

Dass er den Begriff „Heimat“ für die Grünen besetzen wollte, schreckte auch einige Kollegen der eigenen Partei ab, erwies sich insgesamt aber offenbar als mehrheitsfähig. Weitgehend als lächerlich empfunden wurden die Versuche, den langjährigen Grünen-Chef als unabhängigen Kandidaten zu positionieren. Auch sein Verständnis für den russischen Einmarsch auf der Krim oder die Überlegung, die FPÖ auch dann nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen, wenn sie über die absolute Mehrheit verfügt, gehörten nicht unbedingt zu den Höhepunkten seiner Kampagne. Letztlich ist es sich mit dem höchsten Amt im Staat dennoch ausgegangen. Dabei hatte den ersten Wahlgang am 24. April noch Norbert Hofer gewonnen, die Stichwahl am 22. Mai gewann aber Van der Bellen. Der dann aufgehobene zweite Wahlgang brachte das bisher knappste Ergebnis der 13 Volkswahlen seit 1951: Van der Bellen wurde mit 50,35 Prozent Erster – mit nur 30.863 Stimmen mehr als Hofer. Die Wiederholung der Stichwahl am 2. Oktober wurde schließlich wegen defekter Wahlkarten auf den 4. Dezember verschoben, der für Van der Bellen zum Tag des Triumphs wurde.

Es ist davon auszugehen, dass der neue Präsident das Amt ähnlich wie der alte, Heinz Fischer, anlegen wird – ruhig, bedächtig, ohne sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Seine zweite Ehefrau, die der zweifache Vater kurz vor der Hofburg-Kampagne geheiratet hat, wird keine klassische First Lady sein, sondern will weiterhin ihren Job bei den Grünen – als Geschäftsführerin im Parlamentsklub – erledigen. (kb)

("Die Presse", Printausgabe, 05.12.2016)

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