Expertin: "Gesetz wird Cybermobbing-Realität nicht gerecht"

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Symbolbild: FacebookAPA/AFP/JUSTIN TALLIS
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Strafrechtsexpertin Sautner will den Tatbestand Cybermobbing verschärfen. Der Justizminister kontert: "Strafrecht ist kein Wunschkonzert."

Die Linzer Strafrechtsexpertin Lyane Sautner spricht sich für Nachschärfungen beim Cybermobbing-Tatbestand aus. Anlass dafür ist ein auf Facebook millionenfach angeklicktes Gewaltvideo, das die brutale Körperverletzung einer Jugendlichen in Wien zeigt. Das Strafrecht gehe hier an der Realität des Cybermobbings vorbei, so Sautner.

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hatte in der Causa eine Cybermobbing-Anzeige der Grünen nach Paragraf 107c des Strafgesetzbuchs gegen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zurückgelegt. Kein begründeter Anfangsverdacht für Cybermobbing, argumentierte die Staatsanwaltschaft. Das Video sei weder geeignet, das Prügelopfer längere Zeit hindurch fortgesetzt in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, noch es an der Ehre zu verletzen. Auch seien durch das Video keine Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches des Opfers längere Zeit hindurch fortgesetzt veröffentlicht worden, so die Staatsanwaltschaft.

"Einmaliges Uploaden problematischer Inhalte reicht nicht"

"Diese Begründung verwundert teilweise. Der Fall zeigt aber auch die Grenzen des Cybermobbing-Tatbestandes auf", sagte die Leiterin der Abteilung Strafrecht und Rechtspsychologie an der Johannes Kepler Universität Linz. Zwar sei laut Sautner der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen und auch eine Beleidigung durch Misshandlung gegeben, das Problem sei aber, dass der Paragraf 107c eine "gravierende Hürde" aufweise, nämlich dass das Tatverhalten über eine längere Zeit hindurch fortgesetzt erfolgen muss. "Was das bedeutet ist strittig", so die Universitätsprofessorin. "Der Wortlaut spricht klar für ein wiederholtes Tatverhalten, so dass ein einmaliges Uploaden problematischer Inhalte dafür nicht ausreicht." Auch die bloße Unterlassung der Löschung - darum ging es in diesem Fall durch Zuckerberg und Facebook - sei durch den Tatbestand wegen seiner Konstruktion als potenzielles Gefährdungsdelikt nicht erfasst.

"Es ist im Ergebnis daher zutreffend, wenn die Staatsanwaltschaft Innsbruck kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, auch wenn die Begründung etwas hinkt. Der Fall zeigt meines Erachtens, dass Paragraf 107c Strafgesetzbuch der Realität des Cybermobbings nicht ausreichend gerecht wird", sagte Sautner. Der Tatbestand sollte so gestaltet sein, dass er eindeutig auch gravierende einmalige Tathandlungen sowie das Unterlassen der Löschung von Inhalten erfasst. "Damit wäre auch eine kriminalstrafrechtliche Handhabe gegen Plattformbetreiber wie Facebook gegeben."

Brandstetter sieht keinen Handlungsbedarf

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) sieht vorerst keinen Handlungsbedarf in Sachen Cybermobbing. "Den Tatbestand gibt es erst sein Anfang 2016, er greift aber bereits. Wir haben schon vier Verurteilungen und 26 Anklagen", sagte Brandstetter der Tageszeitung "Der Standard". Für eine Evaluierung sei es laut Justizminister aber noch zu früh. "Das Strafrecht ist kein Wunschkonzert für verschiedene Interessengruppen, die exakt auf ihre Vorstellungen zugeschnittene Straftatbestände wollen."

>>> Brandstetter im "Standard"

(APA)

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