Kein entspanntes Flüchtlingsjahr

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Rund 40.000 Menschen suchten bis Ende November in Österreich um Asyl an. Das ist rund die Hälfte weniger als im Vergleichszeitraum 2015. Wer das Land verlässt, tut es schlussendlich meist freiwillig.

Wien. Es war dann doch ein starkes Flüchtlingsjahr für Österreich: 39.618 Menschen, also rund 40.000, suchten heuer bis Ende November hierzulande um Asyl an. Das ist rund die Hälfte weniger als im Vergleichszeitraum 2015. Und deutlich mehr als in den Jahren vor dem Beginn der großen Flucht nach Europa. Dabei war die Erleichterung Anfang des Jahres im ganzen Land zu spüren. „Die Balkanroute ist geschlossen“ war in Zeitungen in ganz Europa zu lesen. Doch wie so oft lässt sich ein komplexes Problem nicht mit einer einzigen Handlung lösen. Eine fehlende europäische Lösung – und, damit verbunden, ein Flickenteppich an nicht schlagkräftigen Gesetzen tragen ihren Teil dazu bei, dass weder Dublin-Verfahren, noch Abschiebungen richtig funktionieren. Wenn Flüchtlinge das Land verlassen, kehren sie meist freiwillig zurück. Was hat das Jahr 2016 in der Flüchtlingsfrage gebracht? Ein Überblick.

1 Wie viele Menschen suchten heuer in Österreich um Asyl an?

Die Zahl ist höher, als manche vielleicht glauben. Knapp 40.000 (39.618) suchten bis Ende November 2016 hierzulande um Asyl an. Das ist rund um die Hälfte weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres (81.038). Und deutlich mehr als in den Jahren vor dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges.

Zwar ist die Balkanroute mittlerweile geschlossen. Das heißt aber nur, dass der staatliche Weitertransport der Schutzsuchenden in ihr gewünschtes Zielland in Europa geendet hat. Die Menschen kommen weiterhin. Allerdings jetzt wieder auf eigene Faust. Der ungarische Grenzzaun mag für manche Österreicher als sinnvolle Maßnahme gelten, die meisten Flüchtlinge kommen aber nach wie vor über die ungarische Grenze nach Österreich. Rund 200 pro Woche waren es noch Anfang August, jetzt, im Dezember, waren es laut Polizei im Burgenland rund 70 pro Woche.

Dass die Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen heuer übrigens nicht erreicht wird, liegt daran, dass die Regierung nur jene Asylanträge zählt, die zu einem Verfahren  zugelassen werden. Heuer waren das ingesamt 32.295. Nicht gezählt werden etwa Dublin-Fälle, bei denen zuerst geprüft werden muss, ob ein anderes europäisches Land für das Verfahren zuständig ist. Derzeit wird das in 14.000 Fällen gemacht. Innenminister Wolfgang Sobotka geht davon aus, dass ein Großteil dieser Menschen (nach einer Frist von sechs Monaten) hierbleiben muss. Damit sei das Kontingent für 2017 schon zum Teil aufgebraucht.

2 Woher kommen die Menschen, die nun in Österreich um Asyl ansuchen?

Die größte Gruppe der Asylsuchenden sind wieder die Afghanen (11.289). Sie liegen heuer bereits deutlich vor den Syrern (8227). Mit Abstand folgen Iraker (2655), Iraner (2366) und Pakistani (2320) – auch rund 1000 Marokkaner wollten heuer hierbleiben. Deren Chancen, Asyl zu bekommen, sind aber nach wie vor gering. 859 marokkanische Fälle wurden heuer rechtskräftig negativ entschieden. Bei den positiven Entscheidungen wurde am häufigsten Syrern Asyl gewährt, nämlich in 13.891 Fällen. Im Gegensatz dazu bekamen Afghanen nur 1444-mal Asyl, in 2235 Fällen wurde es abgelehnt. Insgesamt wurden deutlich weniger afghanische Fälle entschieden, obwohl sie die größte Gruppe im Land sind. Im Innenministerium argumentierte man, dass diese Fälle schwieriger zu prüfen seien und daher mehr Bearbeitungszeit benötigten als die von Flüchtlingen aus dem kriegsgebeutelten Syrien.

3 Was passiert mit den Flüchtlingen, die in Deutschland nicht einreisen dürfen?

15.019 Menschen. So viele Flüchtlinge wollten heuer über Österreich nach Deutschland einreisen – wurden aber abgewiesen. Das österreichische Innenministerium bestätigte eine Zahl „in der Größenordnung“ der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Grund für die Verweigerung sind fehlende Dokumente oder die Tatsache, dass die Flüchtlinge dort nicht um Asyl ansuchen, sondern nur in andere Länder weiterreisen wollten. Einmal abgewiesen stranden die Menschen in Österreich. Sie können hier um Asyl ansuchen, aber nur wenige tun das auch. Einige probieren die Einreise nach Deutschland erneut, die meisten tauchen aber unter, wie seitens der Polizei aus Tirol, Salzburg und Oberösterreich im Lauf des Jahres immer wieder zu hören war. Zwar entscheiden auch hier die Behörden, ob der Zurückgewiesene etwa freiwillig ausreist oder es gar zu einer Abschiebung kommt – rechtlich kann der Fremde dafür aber nur 48 Stunden festgehalten werden. Übrigens verschwinden auch Menschen aus laufenden Asylverfahren, rund 8900 waren es im heurigen Jahr bisher.

4 Nicht alle Asylwerber dürfen bleiben, nicht alle wollen bleiben. Wer verlässt das Land?

Dublin-Rücknahmen und Abschiebungen haben auch 2016 eher schlecht funktioniert. Gerade einmal 2332 Fälle wurden 2016 in ein anderes EU-Land gebracht. Abschiebungen gab es 2131. Schuld daran ist nach wie vor die Tatsache, dass die Herkunftsländer ihre Bürger nicht zurücknehmen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖV) will daher Druck ausüben und im Zweifel den betroffenen Ländern die Entwicklungshilfe streichen. Am effizientesten ist es derzeit, wenn die Menschen freiwillig das Land verlassen. Rund 5292 gingen 2016 so zurück.

5 Wie geht es den Menschen, die in Österreich Asyl bekommen haben?

Die Sprache gut genug lernen, eine Wohnung suchen – und einen Job. Es sind noch immer die wichtigsten Themen, die Flüchtlinge 2016 beschäftigen. Besonders die Jobsuche ist schwierig. Im November waren insgesamt 27.686 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte als arbeitslos vorgemerkt oder in Schulung – was meist bedeutet, dass sie Deutsch lernen.

Auf einen Blick

Anträge. Auch 2016 war ein starkes Jahr bei den Asylanträgen für Österreich. Bis Ende November suchten 39.618 Menschen um Asyl an, die Zahlen für den Dezember sind noch ausständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2016)

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