Erwin Pröll: An der Kraftquelle in Niederösterreich

Erwin Proell
Erwin Proell(c) APA (Georg Hochmuth)
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Sonntagsspaziergang. Radlbrunn ist nicht nur Wohn-, sondern auch Zufluchtsort des niederösterreichischen Landeshauptmanns. Bei seiner Tour durch die Weinberge betont er: "Im Blick zurück habe ich nichts bereut."

Frei werden im Kopf, zurückfinden zur inneren Balance. Erwin Pröll erwähnt das gleich mehrmals. Die Wanderung, die gleich neben dem Haus des Landeshauptmanns in Radlbrunn beginnt, ist für diese Art der Besinnung tatsächlich geradezu ideal. Es geht zwischen den Äckern leicht bergan, keine Straße, keine Fabrik, kein störendes Element sind in Sichtweite. Jetzt, im Herbst, spielen alle Farben mit. „Aber im Winter ist es fantastisch still, nur der eigene Atem ist zu vernehmen.“ Wenn es keinen Sonntagvormittagstermin gibt, dann steht dieser mindestens einstündige Rundweg auf dem Programm. „Das“, sagt der niederösterreichische Landeschef und atmet um eine Spur intensiver, „das ist meine Kraftquelle“.

Da lasse er die Arbeitswoche in der niederösterreichischen Landesregierung an sich vorbeiziehen. Kommen da auch Szenen vor, mit denen er letztlich unzufrieden ist? „Unzufrieden bin ich dann, wenn eine politische Entscheidung nicht so schnell vorangeht.“ Das sei bei der vom Land verordneten Skihelmpflicht für Kinder so gewesen, die dann erst vor den Osterferien erlassen werden konnte. In Sachen Helmpflicht für radfahrende Kinder hat er wiederum einige Kritik geerntet. „Mit Kritik muss man leben lernen“, relativiert Pröll, und auch für andere politische Meinungen müsse man ein gewisses Verständnis aufbringen.

Und wenn er an die künftigen Vorhaben, an seine nächsten Ziele denkt, welche Gedanken kommen ihm da in den Sinn? Ein feines Lächeln huscht über sein Gesicht. Mit dem Thema Präsidentschaftskandidatur will er nicht belangt werden, schon gar nicht in der sonntäglichen Erholungsphase, das hat Pröll schon zuvor erklärt. Im nächsten Augenblick kehrt der Vollblutpolitiker wieder zu seiner Politik zurück: Wirtschaftspolitische Weichenstellungen in der Krise, Konjunkturpakete, Förderungsmaßnahmen für das Land, Umweltthemen – das stehe bevor.

Hat er, der als „Macher“ gilt, etwas falsch gemacht? Erwin Pröll wird nachdenklich. Nein, er sei schon froh, dass er seinerzeit Angebote aus der Bundespolitik ausgeschlagen habe. Etwa den Landwirtschaftsminister in der Regierung Vranitzky–Riegler. Oder den ÖVP-Obmann nach Erhard Busek. „Im Blick zurück habe ich nichts bereut.“

Die Route zieht sich weiter aufwärts. Etwa einen Kilometer entfernt – Erwin Pröll zeigt gegen Norden – sei jene Stelle, an der er als Kind bei einem Traktorunfall beinahe ums Leben gekommen sei. Dort steht heute ein Marienmarterl. Der Hohlweg, der jetzt passiert wird, sei typisch für das Weinviertel. In den ersten Wochen der russischen Besatzung nach 1945 hätten sich manche Frauen aus Radlbrunn hier versteckt, auch seine Mutter mit dem um sechs Jahre älteren Bruder.

Nach dem Hohlweg beginnen die Weingärten, rechts jener in der Ried Fellingen, in dem er schon als Kind bei der Lese war. „Wenn ich mich drei, vier Tage nicht bewegen kann, dann werde ich unrund“, sagt Pröll. Dann müsse er auch am Abend diese Tour unternehmen. Der Landeshauptmann nimmt seinen Gesprächsfaden wieder auf. „Wo ich wirklich unrund werde, das sind Situationen, bei denen ich merke, dass zögerlich gearbeitet wird und dass Termine verschleppt werden.“ Da müsse sein Büro aber schon ganz schön spuren? Pröll nickt nur. Man kenne ihn ja, und er habe „gute Mitarbeiter“.

Der Rundweg ist gepflegt, auch ausgeschildert, alte Weinhüterhütten wurden wieder aufgestellt. Die insgesamt acht hauptberuflichen Radlbrunner Weinbauern hätten Kunden aus ganz Österreich, die hierherkommen, zwischen Verkostung, Gesprächen und Einkauf wollen sie auch etwas von der Gegend mitnehmen. Was er mitnimmt, fügt Pröll auch gleich an: „Wenn ich da marschiere, mit oder ohne Hund Tobi, ist nichts unüberwindbar.“ Das mag nun doch eine politische Ansage sein.


Begehrtes Fotomotiv. Nach der Beschaulichkeit kann sich Pröll dem Bad in der Menge nicht entziehen. Im Brandlhof von Radlbrunn ist ein Handwerksmarkt der Volkskultur Niederösterreich angesetzt, elf Betriebe präsentieren sich, Volksmusikgruppen spielen auf, es gibt Speis und Trank. Man kennt sich, winkt einander zu. Die Zitherspielerinnen von Langenzersdorf wollen mit dem Landeshauptmann auf einem Foto verewigt sein, das Beispiel macht Schule, auch andere zücken ihre Kamera. Und manche, die ihn etwas näher kennen, wollen auch ein Wort über die Präsidentschaftswahl erhaschen. Aber Erwin Pröll lächelt nur. Jetzt wie eine Sphinx.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2009)

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