2017 ist kein Wahljahr – noch nicht

Austrian Chancellor Kern and Vice Chancellor Mitterlehner arrive to address a news conference in Vienna
Austrian Chancellor Kern and Vice Chancellor Mitterlehner arrive to address a news conference in ViennaREUTERS
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Die Kommunalwahl in Graz ist der Höhepunkt des Wahljahres. Es kann aber auch anders kommen. Wenn sich 2017 die Gelegenheit ergibt, die 2016 ausgelassen wurde.

Es könnte gewissermaßen die Ruhe vor dem Sturm sein: 2017 ist kein Wahljahr. Dafür aber 2018 – und was für eines. In diesem Jahr, also 2018, finden Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten, Salzburg und Tirol statt. Und planmäßig Nationalratswahlen im Herbst. Ein Dreikampf Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) könnte die bisherige innenpolitische Architektur vollkommen verändern. Der Ausgang der Wahl ist aus heutiger Sicht ebenso ungewiss wie die jener der Koalitionsverhandlungen.

Und auch auf Landesebene könnten Weichenstellungen bevorstehen. In Niederösterreich steht das System Erwin Pröll auf dem Prüfstand: Tritt er noch einmal an? Und wenn ja, verliert er am Ende seiner Karriere vielleicht wieder die Absolute? In Salzburg steht ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer vor seiner ersten Bewährungsprobe bei Wahlen. In Kärnten wird sich zeigen, ob die SPÖ mit Landeshauptmann Peter Kaiser die FPÖ nachhaltig hinter sich gelassen hat. Und Tirol befindet über die Performance von Günther Platter und seiner Koalitionspartnerin, Ingrid Felipe, die schon als Nachfolgerin von Eva Glawischnig als Bundessprecherin der Grünen gehandelt wird.

Und 2017? Gemeinderatswahlen im Burgenland im Herbst. Und eine Gemeinderatswahl in Graz am 5. Februar. Mit Siegfried Nagl als Titelverteidiger. Kann er seinen Bürgermeisterbonus nützen? Oder setzt sich der Erfolgslauf der Freiheitlichen in der Steiermark fort – Platz eins bei der Nationalratswahl 2013 und allen drei Durchgängen der Bundespräsidentenwahl 2016 fort? Oder überraschen die Grünen? In Graz war Alexander Van der Bellen bei allen drei Wahlgängen entgegen dem steirischen Landestrend Erster.

„Django“ und der Nimbus des Neuen

Oder es kommt doch noch alles anders – und Graz bleibt gar nicht der Höhepunkt des Wahljahres 2017. Danach hatte es lange Zeit auch ausgesehen. Nach dem Sturz von Werner Faymann als SPÖ-Chef und Bundeskanzler im Mai 2016 galt es als überaus wahrscheinlich, dass sein Nachfolger in den beiden Ämtern, Christian Kern, rasch wählen lassen würde. Um den Nimbus des unverbrauchten Neuen zu nützen. Er hatte vor allem das Beispiel Reinhold Mitterlehners vor Augen: Am ÖVP-Parteitag noch mit 99,1 Prozent gewählt, saß „Django“ ein halbes Jahr später gar nicht mehr so fest im Sattel. Nicht zuletzt die Steuerreform hatte sein Image ramponiert. Sebastian Kurz war da in der Beliebtheitsskala – auch in den eigenen Reihen – locker an ihm vorbeigaloppiert.

Die erste Möglichkeit zum Absprung ergab sich nach der Rechnungshof-Wahl im Juni: Ein Teil der ÖVP um Klubchef Reinhold Lopatka hatte – unterstützt von Sebastian Kurz und Erwin Pröll – eine „schwarz-blaue“ Kandidatin unterstützt. Diese Schmach gleich zu Beginn seiner Amtszeit konnte und wollte SPÖ-Chef Christian Kern nicht hinnehmen. Er stellte den Koalitionsbruch in den Raum. Mitterlehner bot noch einmal all seine Autorität auf und überzeugte seine Abgeordneten, für die „schwarz-rote“ Kandidatin zu stimmen. So kam es auch. Margit Kraker wurde Rechnungshofpräsidentin. Und die Große Koalition blieb bestehen.

Das nächste Window of Opportunity für ein Platzenlassen der Koalition wäre nach der eigentlichen Bundespräsidentenstichwahlwiederholung am 2. Oktober gewesen. Doch das machten die mangelhaften Briefwahlkuverts zunichte. Die Wahl fand nun erst am 4. Dezember statt. Und die Strategen in der SPÖ – aber auch in der ÖVP – befanden, dass man nach einem nun einjährigen Wahlkampf der Bevölkerung (und sich selbst auch) nicht gleich einen weiteren zumuten könnte.

EU-Präsidentschaft als Profilierung

Somit war die Neuwahl 2017 wieder abgeblasen. Was auch noch für diese gesprochen hätte, war der Umstand, dass Österreich zum regulären Wahltermin 2018 die EU-Präsidentschaft innehat. Doch aus der Not wurde nun eine Tugend gemacht: Das sei vielleicht gar nicht so schlecht, heißt es in der SPÖ. Christian Kern könne sich in der Zeit der EU-Präsidentschaft als Kanzler profilieren. Es ist etwa der Brexit abzuwickeln. Dem Außenminister und präsumtiven ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz würde dabei nur eine untergeordnete Rolle zukommen.

Allerdings: So fragil wie der Zusammenhalt in der Großen Koalition nun einmal ist – bei einem größeren Zerwürfnis oder unüberbrückbaren Differenzen könnte sich auch im Laufe des Jahres 2017 die Gelegenheit zum Absprung als günstig erweisen. Und SPÖ und ÖVP würden dann wohl nicht zögern, diese zu nützen. Vor allem, wenn die Meinungsumfragen halbwegs passen sollten.

Zumal ja auch die Landeshauptleute, die dann 2018 zur Wahl stehen, wenig Interesse daran haben, mit dem Gegenwind einer zerrütteten Koalition in Wien in ihre Wahlen zu gehen.

AUF EINEN BLICK

Neuwahl? Mehrere Male sah es 2016 danach aus, dass die Nationalratswahlen auf das Jahr 2017 vorgezogen werden könnten. Das Zerwürfnis um die Rechnungshofspitze räumte ÖVP-Chef Mitterlehner gerade noch aus. Und nach dem einjährigen Bundespräsidentschaftswahlkampf halten weder SPÖ noch ÖVP einen weiteren Wahlkampf in Folge für eine gute Idee. Im kommenden Jahr werden demnach planmäßig nur in Graz und im Burgenland Gemeinderäte gewählt und der Nationalrat – wie viele Landtage – erst im Jahr 2018. Außer, die fragile große Koalition hält doch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2016)

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