Kerns programmatische Rede - eine Inszenierung

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Der Bundeskanzler präsentiert heute in Wels vor 1500 SPÖ-Mitgliedern und Funktionären seine Ziele für die Zukunft Österreichs. Die Veranstaltung ist im Herbst der Präsidentschaftswahl zum Opfer gefallen.

Wien. Es ist eine neue Form der politischen Inszenierung. 1500 Besucher sind geladen, wenn Bundeskanzler Christian Kern am Mittwochabend in der Messehalle Wels seine Ideen zur Zukunft Österreichs präsentiert. Der SPÖ-Chef hatte versucht, im Vorfeld die Spannung zu erhalten: Öffentliche Auftritte waren rar, auch dem ORF, der rund um Neujahr alle Parteichefs in der „ZiB2“ interviewte, verweigerte er sich.

Kern will einen Paukenschlag setzen. Die Veranstaltung, zu der alle Parteimitglieder in Oberösterreich sowie alle SPÖ-Funktionäre österreichweit eingeladen sind, ist ganz auf den Bundeskanzler zentriert: Es gibt ein kurzes Video als Intro, danach die rund einstündige Rede Kerns, in der er konkrete Pläne für das Land vorstellen wird. Das war es dann aber auch schon, die Besucher sind noch zu einem Empfang des SPÖ-Parlamentsklubs eingeladen und bekommen eine 150-Seiten-Broschüre mit Kerns Plänen in die Hand gedrückt. Das Ganze ist von einer Medienoffensive begleitet: Der Privatsender Puls 4 überträgt live, Kern gibt ein Interview in der „ZiB2“ und tritt am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ auf.

Der Ort der Veranstaltung ist nicht zufällig gewählt: Wels ist eine traditionelle SPÖ-Hochburg, die bei der letzten Gemeinderatswahl im Herbst 2015 an die FPÖ verloren gegangen ist. Die FPÖ-Wähler zurückzugewinnen gehört zu den zentralen Aufgaben des SPÖ-Chefs. Nicht ganz so geplant ist der Zeitpunkt: Kern hatte ja schon bei seiner Antrittsrede im Mai des Vorjahres Weichenstellungen für den Herbst angekündigt. Dementsprechend wollte er schon rund um den Nationalfeiertag seine große Ansprache halten – doch die Verschiebung der Bundespräsidenten-Wahlwiederholung auf Dezember kam dem in die Quere.

Daher sind jetzt für den Jänner innenpolitische Weichenstellungen zu erwarten. Mittwoch und Donnerstag hält die ÖVP ihre Klubklausur ab, kommenden Montag stellt Finanzminister Hans Jörg Schelling seine Ideen vor, bis zu den Semesterferien Anfang Februar will die Koalition eine Neufassung des Regierungsprogramms präsentieren, das neue Schwerpunkte für den Rest der Legislaturperiode beinhaltet.

Arbeitszeit flexibilisieren

Eines der Themen wird die Flexibilisierung der Arbeitszeiten sein. Wie Kanzleramtsminister Thomas Drozda und Wirtschaftsstaatssekretär Harald Mahrer am Dienstag nach dem Ministerrat bekannt gaben, will man sich bei diesem Thema noch im Jänner einigen. Dass das bisher noch nicht gelungen ist, schoben beide vor allem auf die Sozialpartner. Drozda sprach vom bisherigen „Austausch sattsam bekannter Positionen“, nun werde es mehr geben. „Es ist nicht an uns gescheitert“, betonte auch Mahrer. Die Sozialpartner seien nun gefordert.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl begrüßte die Ankündigung der Regierung, Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske zeigte sich dagegen skeptisch: Flexible Arbeitszeiten dürften nicht zulasten der Arbeitnehmer gehen. Ähnlich argumentierte Sozialminister Alois Stöger: „Überstunden sind Überstunden, und die müssen bezahlt werden.“ (maf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)

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