Thron und Altar: Wie religiös sind unsere Politiker?

Papst und Fischer
Papst und Fischer(c) APA (Robert Jaeger)
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Der Staat und die Kirche: Von Faymann (katholisch) über Glawischnig (evangelisch) und Korun (muslimisch) bis Sternfeld (jüdisch). Für Spitzenpolitiker mitunter eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz.

Werner Faymann pflegt ein tägliches, religiös anmutendes Ritual: Jeden Morgen, wenn er aufwacht, versucht er die Altlasten vom Vortag zu „löschen“, bewusst zu „vergeben“, um unbelastet den neuen Tag zu beginnen. Seelenhygiene eines Bundeskanzlers. Ein frommer Kirchgänger ist er nicht, außer an hohen Festtagen und am 24.Dezember, dennoch gilt der rote Kanzler als religiös. Er glaubt an Gott, der für ihn aber kein bestimmtes Wesen ist, sondern eher eine Erscheinung wie die Sonne, von der man sich Kraft holen könne. Man müsse aber nicht.

Kirche und Politik – ein heikles Verhältnis. Politiker sollen einerseits Distanz zu den Kirchen halten, andererseits aber auch die Nähe zu diesen wahren. Die Trennung von Staat und Religion ist eine Selbstverständlichkeit. Doch auch in einer säkularen Gesellschaft haben Glaubensgemeinschaften Einfluss, auch auf die Vertreter des Staates. Der „Kulturkampf“ von einst ist allerdings Vergangenheit, Antiklerikalismus kein politisches Programm mehr. Selbst Agnostiker wie Heinz Fischer rühmen sich ihrer guten Kontakte zu den Religionsgemeinschaften.

Die ÖVP ist weltanschaulich jene Partei, die dem Christentum, im Speziellen der katholischen Lehre, am nächsten steht. „Es gab aber schon heidnischere Zeiten bei uns“, erinnert sich Andreas Khol, der Spiritus Rector des Katholizismus in der ÖVP. „Die katholische Renaissance hat unter Wolfgang Schüssel eingesetzt.“ In der damaligen wie in der heutigen ÖVP-Regierungsfraktion seien die praktizierenden Katholiken stark vertreten.

Der Parteichef selbst, der Weinviertler Bauernsohn Josef Pröll, ist traditionell katholisch erzogen worden. Mit seiner Familie ist er heute in der Pfarre Gersthof im 18. Wiener Gemeindebezirk aktiv, seine Kinder ministrieren dort. Der ÖVP-Vizekanzler sieht auch sein politisches Handeln in jenen Werten begründet, die durch den Glauben definiert seien: Verantwortung, Leistung, Mitgefühl.

Rational versus irrational. Einen Widerspruch zwischen der „Rationalität“ der Politik und der „Irrationalität“ von Religionen sieht Andreas Khol nicht: „In der Politik geht es oft viel irrationaler zu.“ Khol selbst fand über die katholische Soziallehre den Zugang zur Politik, durch die Lektüre des Buchs „Vom Gestern ins Heute“ des katholischen Publizisten Friedrich Funder. „Ich mache Politik aus christlicher Verantwortung“, sagt Khol. Die oberste Instanz sei aber stets das eigene Gewissen. Der einst Ultramontane steht seiner Kirche heute durchaus kritisch gegenüber. Er ist Teil jener Laieninitiative, der auch Erhard Busek und Herbert Kohlmaier angehören, die sich für die Abschaffung des Zölibats engagiert. „So gut habe ich mich mit Busek und Kohlmaier früher nie verstanden wie jetzt aus Sorge um die Kirche“, merkt Khol keck an.

Jene Frau, die Khol einmal „eine wunderschöne Marxistin“ nannte, die heutige Grünenchefin Eva Glawischnig, ist evangelische Christin nach Augsburger Bekenntnis. Ein naher Verwandter, Gerhard Glawischnig, war viele Jahre lang Superintendent von Kärnten. Ihre Mutter ist Organistin in den protestantischen Gemeinden Oberkärntens. Eva Glawischnigs Heimatort Unterhaus oberhalb des Millstätter Sees gehört zu jenen Gegenden, in die die mitunter unbarmherzige Gegenreformation nie vordringen konnte. Sie ist noch heute Mitglied der Kirchengemeinde Unterhaus. Dort wurde sie auch getraut. Ihr Mann, ATV-Moderator Volker Piesczek, ist ebenfalls seit jeher evangelischen Glaubens.

„Im Alltagsleben spielt Religion aber kaum eine Rolle“, sagt Eva Glawischnig. Prägend seien die engen familiären Bande zum Protestantismus, „wobei bei den Grünen – viele kommen ja aus dem linkskatholischen Milieu – die katholische Prägung schon sehr stark ist“. Wie sich das in der Praxis auswirkt? Glawischnig schmunzelt, schweigt und leitet zum klassisch katholischen Themenkomplex „Schuld und Sühne“ über. Als Schulkind habe sie es jedenfalls als großen Vorteil empfunden, nicht beichten gehen zu müssen, erzählt die Grünenchefin.

Ihre Parteikollegin Alev Korun ist sunnitische Muslima. Allerdings, wie es sich für die Urenkelin eines türkischen Parlamentariers zu Zeiten Kemal Atatürks, der den Laizismus in der Türkei einführte, gehört, ist sie sehr säkular eingestellt. Die Trennung von Religion und Staat ist ihr wichtig. „Religion ist Privatsache“, sagt sie. Wann und wie oft einer bete, müsse jeder mit sich selbst ausmachen.

Moslem in der SPÖ. Omar al-Rawi, SPÖ-Gemeinderat im Wiener Landtag, betet fünfmal am Tag, nimmt, so die Termine es zulassen, am Freitagsgebet in der Moschee teil, fastet am Ramadan, trinkt keinen Alkohol, isst kein Schweinefleisch, zahlt Armensteuer (zweieinhalb Prozent vom Besitz) und war schon einmal auf Pilgerfahrt in Mekka. Wie kommt ein gläubiger Moslem in eine traditionell antiklerikale Partei wie die SPÖ? „Die SPÖ ist nicht komplett antiklerikal. Es gibt auch viele praktizierende Christen“, meint al-Rawi. Entscheidend sei, dass sich viele seiner Ansichten mit denen der Sozialdemokraten decken würden: Solidarität, Hilfe für die Armen, Neutralität.

Juden selten. Politiker jüdischen Glaubens sind in Österreich selten. Einer ist David Lasar, Gemeinderat in Wien – ausgerechnet von der FPÖ. Schon sein Vater, Generalsekretär der Likud-Fraktion in der Israelitischen Kultusgemeinde, war Haider-Fan. Die Bürgernähe der Partei und die „verfehlte Zuwanderungspolitik“ ließen ihn selbst zum Freiheitlichen werden. Seinen Sonderstatus als Jude in der FPÖ scheint Lasar durchaus zu genießen.

Raphael Sternfeld, Bezirksrat der SPÖ in Wien-Josefstadt, lebt sein Jüdischsein nicht religiös, sondern „traditionell“ aus. Soll heißen: „Ich gehe an hohen Festtagen wie Jom Kippur schon in die Synagoge. Im Sinne des Pflegens einer Tradition, wo man sich dann auch mit Freunden trifft.“ Sternfeld hält es wie Bruno Kreisky: Auch er sei Agnostiker, aber keinesfalls Atheist. Und so wie Otto Bauer sei auch er zwar Mitglied der Kultusgemeinde, lebe aber bewusst säkular.

Entwicklungsgeschichtlich war auch die FPÖ eine antiklerikale Partei. Schon unter Jörg Haider, erst recht unter Heinz-Christian Strache, der schon gerne mal mit dem Kreuz herumfuchtelt, hat sich das jedoch stark geändert. „Das Kreuz ist das Symbol der christlichen Menschen, nicht der Kirche“, relativiert Strache, der sich der Rettung des christlichen Abendlandes verschrieben hat. Er sei selbst in katholischen Internaten aufgewachsen. Die Firmung habe er aber erst im Juni dieses Jahres nachgeholt, da seine Großeltern seinerzeit schwer erkrankt waren. Er bete auch, sagt Strache. „Für die Gesundheit und für die Familie.“

Uwe Scheuch, Straches neuer Kärntner Spezi, ist übrigens – ganz im Sinne freiheitlicher Tradition – ohne religiöses Bekenntnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2009)

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