Mensdorff-Pouilly: Der Graf hinter Schloss und Riegel

Mensdorff-Pouilly
Mensdorff-Pouilly(c) Die Presse (Fabry)
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Der österreichische Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly sitzt in einem Londoner Gefängnis. Dem Grafen aus dem Burgenland wird Korruption im Zuge von Waffengeschäften vorgeworfen.

Zumindest einen Einschleifer braucht Alfons Mensdorff-Pouilly nicht mehr. Einschleifer nennt man im Häfenjargon jene Zellengenossen, die Neulinge in das Leben hinter Gittern einweisen. Als Mensdorff im Februar 2009 in Wien eine fünfwöchige Untersuchungshaft antrat, war es ein Rauschgiftdealer, der dem Grafen alles erklärte. Seit Freitag sitzt der Ehemann von Exministerin Maria Rauch-Kallat wieder in Gewahrsam. Diesmal allerdings in London. Der Grund dafür ist allerdings der alte: Mensdorff wird Bestechung im Zusammenhang mit Waffengeschäften vorgeworfen.

Die britische Anti-Korruptionsbehörde Serious Fraud Office (SFO) ist überzeugt, „ausreichende Hinweise“ gegen Mensdorff-Pouilly in der Hand zu haben. Wie der Sprecher der SFO gestern in London gegenüber der „Presse am Sonntag“ weiter bestätigte, ist die Causa der erste Fall, bei dem im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den britischen Waffen- und Flugzeughersteller BAE die Gerichte eingeschaltet wurden. Mensdorff-Pouilly befindet sich in London „an einem unbekannten Ort“ in Untersuchungshaft.


Routine. Der österreichische Waffenlobbyist war am Freitag – fast könnte man sagen routinemäßig – zu einem Vernehmungstermin bei der Polizei in London eingereist. Gegen ihn laufen bereits seit Längerem Ermittlungen, er wurde schon in der Vergangenheit in Großbritannien, wo er das schottische Schloss Dalnaglar Castle besitzt, festgehalten. Nach britischen Medienberichten wurden bei einer Durchsuchung des österreichischen Büros von Mensdorff-Pouilly Dokumente sichergestellt. Die Hausdurchsuchungen bei Mensdorff und zwei Geschäftspartnern hatten im September 2008 stattgefunden. Mittlerweile dürften die damals sichergestellten Unterlagen von den österreichischen Behörden also bereits an die britischen Kollegen übermittelt worden sein. Der am Freitag formell erhobene Vorwurf der britischen Behörde gegen Mensdorff lautet: „Verabredung zur Leistung korrupter Zahlungen an unbekannte Amtsträger und Repräsentanten bestimmter ost- und mitteleuropäischer Regierungen, einschließlich Tschechien, Ungarn und Österreich, zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember“.

Diese Schmiergeldzahlungen sollen für den Ankauf von Kampfflugzeugen der Type Saab Gripen bestimmt gewesen sein. Saab und BAE bildeten damals ein Konsortium für den Verkauf der Flugzeuge. BAE ist auch einer der Hersteller des Eurofighter-Kampfjets.

Nach der polizeilichen Vernehmung, an der ein SFO-Vertreter teilnahm, wurde Mensdorff-Pouilly Freitagnachmittag einem Richter des Nordlondoner Bezirksgerichts von Highbury Corner vorgeführt, wo formell ein Verfahren gegen ihn eröffnet wurde. Mensdorff machte keine Aussage. Da er auch keinen Antrag auf Kaution stellte, wurde er in Untersuchungshaft genommen. Der SFO-Sprecher betonte, dass dies „normale Vorgangsweise“ sei: „Bei einem britischen Staatsbürger hätte das Gericht genauso gehandelt.“

Für den kommenden Freitag, 5. Februar, hat das Gericht einen Termin für eine allfällige Kaution angesetzt. Höhe und Bedingungen werden vom zuständigen Richter festgelegt, vorausgesetzt, Mensdorff-Pouilly stellt einen entsprechenden Antrag. Er hat nach Darstellung der SFO „jederzeit Zugang zu seinem Anwalt“.

Der nächste Gerichtstermin wurde für den 26. Februar festgelegt. Ob es zu einer Anklageerhebung kommt, entscheidet nun das Amt des britischen Kronanwalts (Lord Attorney). Die oberste juristische Regierungsinstanz hat nämlich das Recht, in bestimmten Fällen, wie einer Bedrohung der nationalen Sicherheit, gegen eine Anklageerhebung ein Veto einzulegen. Die Behörde bestätigte, dass man sich derzeit „mit der Sache beschäftigt“. Bis zu dem Termin Ende Februar soll eine Entscheidung des Kronanwalts vorliegen.

Die SFO ermittelt bereits seit sechs Jahren gegen den Waffenhersteller BAE. Eine Anklageerhebung im Zusammenhang mit Flugzeuglieferungen an Saudiarabien wurde vor drei Jahren vom Kronanwalt auf Antrag des damaligen Premiers Tony Blair niedergeschlagen. Blair hatte Gründe der „nationalen Sicherheit“ geltend gemacht. Die Öffentlichkeit reagierte empört, die SFO teilte wenig später mit, man werde andere Ermittlungen gegen BAE fortsetzen.

Die Offensive der Anti-Korruptionsbehörde folgt dem Scheitern von Gesprächen mit BAE über einen Deal nach US-Vorbild (plea bargain). Dabei zeigte sich die SFO nach Medienberichten gegen die Zahlung von 200 bis 300 Millionen Pfund bereit, die Ermittlungen einzustellen. BAE hingegen wollte nur zwischen 6,6 und 18 Millionen Pfund bezahlen. Zum Verfahren gegen Mensdorff-Pouilly lehnte das Unternehmen gestern jede Stellungnahme ab: „Nachdem nun ein Gerichtsverfahren eröffnet worden ist, wäre es unangemessen für uns, eine Stellungnahme abzugeben“, erklärte eine Sprecherin.


Das Rätsel um die Kaution. Dass Mensdorff-Pouilly vorerst keinen Antrag auf Kaution gestellt hat, sorgt für Verwunderung. Schon kursieren erste Gerüchte, der Graf sei gar nicht gut bei Kasse. Mensdorffs Wiener Anwalt Harald Schuster meinte hingegen im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, dass noch gar nicht klar sei, ob eine Kaution vom Gericht überhaupt akzeptiert werde. Über die Kaution werde wohl am Freitag bei der ersten Haftverhandlung beraten werden.

Und selbst wenn der Richter eine Kaution festsetzt, ist noch nicht klar, ob sie von Mensdorff-Pouilly auch aufgebracht werden kann. Zumal hinter vorgehaltener Hand schon von einer möglichen Kaution in der Höhe von mehreren Millionen Pfund spekuliert wird und zumindest die gebundenen Vermögenswerte des Lobbyisten, etwa die Schlösser im burgenländischen Luising (Bezirk Güssing) und im schottischen Dalnaglar Castle, schwer zu bewerten sind.

Andererseits: Aus taktischen Gründen werden Kautionen generell meist von „dritter Seite“ angeboten. Wenn nämlich der Verdächtige selbst Geld aufbringt und hinterlegt, läuft er Gefahr, dass er die Kaution nie mehr wiedersieht. Dann nämlich, wenn es zu einer Verurteilung kommt und im Urteil auf „Abschöpfung der Bereicherung“ des Schuldigen erkannt wird. Hingegen kann auf das Vermögen eines an den Tatbeständen unbeteiligten Geldgebers von staatlicher Seite nicht zugegriffen werden. Einschlägigen Erfahrungsaustausch könnte Mensdorff bei seiner Wiener U-Haft erfahren haben. Einer seiner Mithäftlinge war damals Ex-Bawag-General Helmut Elsner. Und Elsner kam einst aus französischer Auslieferungshaft frei, weil ihm sein Freund, der Milliardär Martin Schlaff, kurz mit einer Million Euro aushalf.


Es droht eine lange Haft. Scheitern allfällige Verhandlungen über eine Kaution, besteht wohl auch die Gefahr, dass Mensdorff-Pouilly bis zu einer Gerichtsverhandlung hinter Gittern bleiben muss. Wie lange dies dauern könnte, steht derzeit nicht fest.

War nun mit einer Verhaftung zu rechnen, wäre eine solche zu verhindern gewesen? Anwalt Schuster beantwortet beide Fragen mit Nein. Der Lobbyist sei schon dreimal nach London gereist, um auszusagen. Der jetzige Termin sei eigentlich für November festgesetzt gewesen und auf 29. Jänner verschoben worden – dies sei ein Indiz dafür, dass es die Briten diesmal „nicht so eilig hatten“. Auch habe Mensdorff-Pouilly nicht mit einer Anklagekundmachung wegen „Verabredung zur Bestechung“ rechnen müssen. Übrigens: Diesen Tatbestand gibt es in Österreich so nicht. Eine solche Verabredung wäre wohl als straflose Vorbereitungshandlung einzustufen – es sei denn, sie wird im Rahmen der Bildung einer kriminellen Vereinigung gesehen. Und dies wird Mensdorff-Pouilly in Österreich nicht vorgeworfen. Hierzulande läuft ein Strafverfahren gegen den Grafen wegen Bestechung und Geldwäsche. Es drohen demnach in Österreich fünf Jahre Freiheitsentzug.

Mensdorff selbst hat via Anwalt wiederholt ausrichten lassen, er sei schuldlos. Dementsprechend sagt Schuster – auch im Hinblick auf die Vorgänge in Großbritannien – zur „Presse am Sonntag“: „Es ist ungeheuerlich, was da passiert. Man hat nichts in der Hand und versucht, Druck aufzubauen.“

Derweil wird Mensdorff-Pouilly wieder auf seinen bewährten „Häfen-Trick“ zurückgreifen können. „Das Joghurt ist mein Häfentrick“, erzählte er einst launig von seinem fünfwöchigen Gefängnisaufenthalt. „Wenn ich das vor dem Frühstück esse, habe ich weniger Hunger.“ Damals hat er immerhin zehn Kilogramm abgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2010)

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