Marginalie: Reinrassiges Rindvieh

(c) AP (Focke Strangmann)
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Die Burschenschaft "Olympia" hat einen Psychologen eingeladen, der Unterschiede zwischen "Rassen" erforscht. Die FPÖ wirbt indessen mit dem Wort "reinrassig".

It's a trade-off, more brains or more penis. You can't have everything.“ Einem Mann, der seine Forschungshypothese so griffig zusammenfasst, kann man Freude an der Provokation genauso wenig absprechen wie eine gewisse Obsession: J.Philippe Rushton, Psychologe an der University of Western Ontario, versucht seit Jahrzehnten, ein Konzept der theoretischen Biologie auf Menschen anzuwenden, die r/K-Selektionstheorie.

Diese sagt im Wesentlichen, dass es für Lebewesen in unstabilen Umgebungen günstiger ist, auf schnelle Reproduktion zu setzen (r-Strategie), während es in stabiler Umwelt vorteilhafter ist, weniger Nachkommen zu haben, aber in diese mehr zu investieren und selbst länger zu leben (K-Strategie). So entstehen im Lauf der Evolution eher „r-selektierte“ Arten (in denen die Individuen fruchtbarer, kleiner, aber kurzlebiger sind) und eher „K-selektierte“. Menschen sind z.B. ganz offensichtlich mehr auf der K-Seite als Eintagsfliegen.

Rushton will aber nun innerhalb der Art Homo sapiens Unterschiede sehen: Afrikaner setzten, glaubt er, eher auf eine r-Strategie, Asiaten auf eine K-Strategie, Europäer seien in der Mitte; daher seien Afrikaner im Durchschnitt weniger intelligent, aber impulsiver und sexuell aktiver als Asiaten (und Europäer). Um das zu belegen, befragte er u.a. seine Studenten über ihre Penisgröße und die Anzahl ihrer Sexualpartner. Seine Interpretationen sind genauso umstritten wie seine Methoden, er vernachlässigt nur zu gern soziale Faktoren; er wird aber von manchen seriösen Biologen ernst genommen; und dass er von „races“ spricht, ist wenig anstößig, das englische Wort ist – auch aus ideologiehistorischen Gründen – wesentlich harmloser konnotiert als das deutsche „Rasse“.

Dass ihn die u.a. gegen die „Unterwanderung des deutschen Volkes durch Angehörige von fremden Völkern“ engagierte schlagende Burschenschaft „Olympia“ zu einem Vortrag eingeladen hat, hat wohl damit zu tun, dass die Burschen hoffen, dass seine Forschung ihre Ideologie stützt. Ob sie enttäuscht sein werden, wenn Rushton ihnen attestiert, dass sie aufgrund ihrer „kaukasischen“ Abstammung tendenziell wenig Muskeln und einen kleinen Penis haben? Und selbst aus Rushtons' krausesten Thesen lässt sich kein Plädoyer gegen „Unterwanderung“ oder „Vermischung“ destillieren.

FPÖ: "reinrassig & echt"

Die Partei des Dritten Nationalratspräsidenten, des bekennenden „Olympia“-Mitglieds Martin Graf, wirbt indessen im Wahlkampf für die Landwirtschaftskammerwahlen in Salzburg mit dem Slogan „reinrassig & echt“: Er findet sich auf einem Plakat, das die „EU-Agrar-Knechtschaft“ (sic!) geißelt, unter einer Kuh, neben einem Politiker, der noch treuherziger dreinschaut und Alois Nußbaumer heißt (echt!).

Im Allgemeinen ist das Attribut „reinrassig“ im politischen Diskurs nach 1945 verständlicherweise kaum gefragt. Das letzte Mal verwendete es ein Vertreter der FP-Konkurrenz: Nationalratsabgeordneter Rainer Widmann sprach von einem „reinrassigen BZÖ“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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