Alle Medikamente auf E-Card speichern

Alle Medikamente ECard speichern
Alle Medikamente ECard speichern(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
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Spricht Gesundheitsminister Stöger ein Machtwort und setzt einen Beschluss in der Bundesgesundheitskommission durch, könnte ab Herbst in drei Modellregionen – Tirol, Oberösterreich und Wien – die E-Medikation anlaufen.

WIEN. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker? In der Praxis kommt das offenbar nur selten vor. Sonst würde nicht jedes fünfte verschriebene Medikament entweder falsch, doppelt oder gar nicht eingenommen. Herausgefunden hat man das längst, bei einem Pilotprojekt, das vor drei Jahren in Salzburg zu einem eindeutigen Ergebnis kam. Klar ist auch, dass sich die Krankenkassen neben etlichen gesundheitlichen Komplikationen oder sogar Langzeitschäden auch 130 Millionen Euro durch eine bessere Arzneimitteldosierung ersparen könnten.

Geholfen hat diese Einsicht bislang nichts. Denn seit Monaten sind die Gespräche, die unter Federführung des Tiroler Gesundheitslandesrates Bernhard Tilg (ÖVP) mit Ärzte- und Apothekerkammer sowie Krankenkassen zur flächendeckenden E-Medikation gelaufen sind, ins Stocken geraten. „Eine teure Geschichte“, findet Tilg im Gespräch mit der „Presse“, „jeden Monat verlieren wir so sechs bis 12 Millionen Euro.“

„Stöger muss endlich handeln“

Deshalb fordert Tilg, der am Montag zu einem Gespräch ins Gesundheitsministerium kommt, ultimativ: „Minister Stöger muss endlich handeln.“ Bremser des Projektes ist derzeit die Apothekerkammer. „Wir haben unsere Aufgaben ja an sich zu 95 Prozent erledigt“, so Tilg. Die restlichen fünf Prozent beschäftigen sich mit den sogenannten OTC-Produkten, also jenen Arzneimitteln, die „über den Ladentisch“ („over the counter“) ohne ärztliche Verschreibung verkauft werden. Die Vertreter der Apotheker wehren sich dagegen, dass auch diese Medikamente über die E-Card gespeichert werden. Tilg findet das lächerlich. „Ich halte diese fadenscheinige Diskussion nicht aus.“ Natürlich sei auf irgendeinem Datenspeicher registriert, welche Apotheke welches Medikament verkauft hat. Interesse an dieser Transparenz haben aber ohnehin nur der betroffene Patient, sein Arzt und eigentlich auch der Apotheker. Dabei gebe es von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) einen brauchbaren Kompromissvorschlag: Von den OTC-Produkten sollen nur die erfasst werden, die für Neben- oder Wechselwirkungen relevant sind.

Komplikationen keine Einzelfälle

Und die kennt man an sich. So verflüchtigt sich beispielsweise die Wirkung, wenn ein Patient eine vom Arzt verschriebene Arznei mit einem an sich harmlosen Aspirin zeitgleich einnimmt. Egal ist es, wenn er eine Stunde zwischen den beiden Einnahmen vergehen lässt. Nur: Gesagt muss es dem Patienten werden. Dass es sich dabei keineswegs um Einzelfälle handelt, zeigte das Pilotprojekt in Salzburg, damals von der Apothekerkammer besonders protegiert. 9000 Patienten nahmen teil: 26.182-mal wurde ein Problem erkannt. In etwa 400 Fällen hätte es zu einer schweren Interaktion, in 14.000 Fällen zu einer mittleren kommen können.

Der offensichtliche Erfolg des 2007 durchgeführten Projektes sollte rasch zur österreichweiten Kopie führen. Jetzt haben wir 2010. Spricht Gesundheitsminister Stöger ein Machtwort und setzt einen Beschluss in der Bundesgesundheitskommission durch, könnte ab Herbst in drei Modellregionen – Tirol, Oberösterreich und Wien – die E-Medikation anlaufen. Spätestens 2012 ginge sie dann in den Regelbetrieb über. Tilg fände es aus praktischen Gründen sinnvoll, wenn Stöger gleich einen weiteren Schritt setzte. „Er sollte die Elga-Gesetze aus der Schublade holen und endlich einbringen.“ In der Begutachtung könnte dann ausführlich diskutiert werden, wer und wie Zugrifff zu allen Gesundheitsdaten eines Patienten erhalten soll.

AUF EINEN BLICK

Die E-Medikation wurde schon vor drei Jahren in einem Pilotprojekt – erfolgreich – getestet. Anlass war, dass jedes fünfte Medikament in Österreich falsch, in gefährlicher Kombination oder gar nicht eingenommen wird. Seither wird an einer österreichweiten Umsetzung gearbeitet. Seit Monaten wehrt sich allerdings die Apothekerkammer dagegen, dass auch frei verkäufliche Medikamente, die zu Neben- und Wechselwirkungen führen können, auf der E-Card gespeichert werden. Der Chefverhandler, Tirols Gesundheitslandesrat Tilg, fordert von Gesundheitsminister Stöger ein Machtwort. Schließlich vergeude das Gesundheitssystem auf diese Art sechs bis 12 Mio. Euro monatlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2010)

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