Terminchaos bei der Mindestsicherung

Terminchaos bei der Mindestsicherung
Terminchaos bei der Mindestsicherung(c) AP (Linn Malmen)
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Verzögerung: Der 1. September 2010 dürfte nicht in allen Bundesländern als Starttermin zu halten sein. Nach der Einigung über die Mehrkosten läuft den Organisatoren die Zeit davon.

Wien. Bei der Umsetzung des SPÖ-Prestigeprojekts einer bedarfsorientierten Mindestsicherung in Höhe von 744 Euro netto ist noch eine ganze Reihe an politischen Beschlüssen und organisatorischen Vorarbeiten offen, sodass der geplante Start ab 1. September dieses Jahres nicht durchgängig zu halten sein wird. In einigen Bundesländern zeichnet sich eine Verschiebung auf Jänner 2011 ab.

Der Hauptgrund dafür ist, dass sich die notwendigen Beschlüsse in allen neun Landtagen bis zum Sommer nicht mehr ausgehen dürften. Wie der „Presse“ bestätigt wurde, zählen so ziemlich alle Bundesländer außer Wien, Niederösterreich und der Steiermark zu den Sorgenkindern. Im Burgenland wird etwa erst am 30. Mai ein neuer Landtag gewählt. Er müsste das Projekt dann nach seiner für Ende Juni erwarteten Konstituierung im Eilzugsverfahren absegnen.

Bundesregierung: Keine Schuld

Außerdem sind noch einige organisatorische Details zu lösen. So ist aus dem Arbeitsmarktservice (AMS) zu hören, dass die Koordinierung mit den Ländern noch verbessert werden muss, um sicherzustellen, dass Bezieher einer Mindestsicherung auch entsprechend bei der Jobsuche unterstützt werden können. Hierfür wurde dem AMS auch mehr Personal und Geld zugesagt.
Die Bundesregierung und das zuständige Sozialministerium sind an der drohenden Verschiebung am wenigsten schuld. Denn SPÖ und ÖVP einigten sich erst bei der Regierungsklausur Anfang März in Graz, dass die erwarteten Mehrkosten für den Bund von insgesamt 42 Millionen Euro (in diesem Jahr) aufgeteilt werden. Damit nahmen sie eine wichtige Hürde in der Projektumsetzung.

Im Sozialministerium laufen die Vorarbeiten weiterhin auf Hochtouren, damit der 1. September 2010 als Starttermin eingehalten werden kann. Schließlich ist diese bundesweit einheitliche „Sozialhilfe neu“ seit dem Antritt der Regierung Gusenbauer im Jänner 2007 bereits mehrfach angekündigt und dann, aus unterschiedlichen Gründen, doch immer wieder verschoben worden. Wegen der steigenden Zahl an Arbeitslosen, die in der Folge auch zu mehr Beziehern von Notstandshilfe führt, möchte die Kanzlerpartei die bedarfsorientierte Mindestsicherung möglichst rasch als unterstes soziales Netz aufspannen.

Im Juli 2009 machte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sogar Abstriche (Auszahlung zwölf- statt 14-mal im Jahr), um das Projekt innerhalb der Regierung zu retten. Was dem Ex-ÖGB-Chef innerparteilich massive Kritik aus manchen Ländern und von Gewerkschaftern einbrachte.

Heute sagt der Minister: „Natürlich ist das Projekt eine sportliche Herausforderung für alle, auch der Bund muss noch einiges tun. Aber wenn alle wollen, ist der 1. September 2010 machbar.“

Doch der Hürdenlauf scheint noch lange nicht beendet zu sein. Wie „Die Presse“ erfuhr, liegt dem Sozialministerium bislang noch kein einziger 15-A-Vertrag – die Voraussetzung für einen späteren Beschluss in den Landtagen – vor. Und die Soziallandesräte von Oberösterreich und Salzburg, Josef Ackerl und Erika Scharer (beide SPÖ), meldeten am Montag massive Zweifel an, dass der Zeitplan zu halten sein wird.

Rückwirkende Auszahlung

Hundstorfer ließ sich davon allerdings nicht irritieren: Der 1. September sei mit allen neun Bundesländern als Starttermin vereinbart, stellte er am Montag bei einem Hintergrundgespräch im Sozialministerium klar. „Ich gehe davon aus, dass das Datum hält.“ Falls nicht, will Hundstorfer „dem Prinzip der Nachzahlung“ folgen: In jenen Ländern, in denen es aufgrund legistischer Probleme zu Verzögerungen komme, würde die Mindestsicherung dann rückwirkend mit 1. September ausbezahlt.
Wann auch immer das neue Gesetz in Kraft trete.

("Die Presse" Printausgabe vom 16. März 2010)

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