Illegale Überwachung? Anzeige gegen Parlament

Illegale ueberwachung Anzeige gegen
Illegale ueberwachung Anzeige gegen(c) APA
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Das Parlament beschloss zwar ein strengeres Datenschutzgesetz, hält sich aber anscheinend selbst nicht daran. Ein Wiener Jus-Student hat daher Anzeige gegen das Parlament erstattet.

Wien. Seit Jahresbeginn gilt ein neues Datenschutzgesetz. Es schreibt vor, dass eine Videoüberwachung so ausgeschildert werden muss, dass sich jeder der Überwachung entziehen kann, bevor ihn die Kameras ablichten. In der Praxis wird das neue Gesetz aber offenbar weitgehend ignoriert.

Ein Wiener Jus-Student hat daher Anzeige gegen das Parlament erstattet. Denn obwohl die dortigen Abgeordneten das neue Gesetz selbst beschlossen haben, halte sich das Parlament nicht daran, erklärt der Student. Zwar seien zwei Hinweistafeln am Eingang angebracht, die auf die Videoüberwachung aufmerksam machen. Doch wer vor diesen Tafeln stehe, werde bereits längst von den Kameras eingefangen, sagt der angehende Jurist. Er dokumentierte mittels Fotos, wie weit die (etwa an den Lichtmasten montierten) Kameras ausgerichtet sind, und legte das Beweismaterial der Anzeige bei. Das Parlament wollte auf Anfrage der „Presse“ nicht zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Zunächst wolle man die Anzeige genau studieren. Auch auf die Frage, welcher Bereich nun von den Kameras gefilmt werde, ging ein Parlamentssprecher mit Verweis auf die Anzeige nicht ein.

Aber muss sich eine Einrichtung wie das Parlament überhaupt an die für Private geltenden Vorschriften halten? Ja, erklärt im Gespräch mit der „Presse“ Datenschutzexperte Horst Lukanec, Partner der Anwaltskanzlei Binder Grösswang. Die Videoüberwachung sei hier nämlich keine hoheitliche Aufgabe, sondern erfolge im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Wenn das Parlament tatsächlich über dem Eingangsbereich filme, gebe es sogar zwei Probleme, meint Lukanec. Erstens sei fraglich, ob dann nicht bereits (illegal) ein öffentlicher Platz abgelichtet werde. Und zumindest sei eine Hinweistafel nötig. „Die Kennzeichnung muss so erfolgen, dass der Überwachung ausgewichen werden kann“, betont auch der Anwalt mit Blick auf die Gesetzesmaterialien. Wer gegen diese Vorschrift verstößt, müsse mit Geldstrafen bis zu 10.000 Euro rechnen.

„99 Prozent“ missachten Gesetz

Zu verhängen hätte die Strafe das Magistratische Bezirksamt für den ersten Bezirk in Wien. Dort hat der Student – er möchte anonym bleiben – auch seine Anzeige erstattet. Anlass für seine Initiative war übrigens eine Seminararbeit über die Videoüberwachung, die er im Rahmen seines Studiums schreiben musste. Ein Test in der Praxis ergab, „dass sich 99 Prozent nicht an das Gesetz halten“, sagt der Student. Auch das Kanzleramt und das Innenministerium würden zum Beispiel gegen die neue Kennzeichnungspflicht verstoßen. Exemplarisch zeigte der Student aber nur das Parlament an, um auf das generelle Nichtbeachten des Datenschutzgesetzes aufmerksam zu machen.

AUF EINEN BLICK

Das Datenschutzgesetz schreibt vor, dass eine Videoüberwachung so gekennzeichnet werden muss, dass sich„jeder potenziell Betroffene, der sich einem überwachten Objekt oder einer überwachten Person nähert, tunlichst die Möglichkeit hat, der Videoüberwachung auszuweichen“ (§ 50d).Dies sei beim Parlamentseingang nicht der Fall, heißt es in der nun eingebrachten Anzeige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 7. Mai 2010)

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