"Zähe" Gespräche: Termin für Mindestsicherung wackelt

(c) Clemens Fabry
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SPÖ und ÖVP streiten über Details des Transferkontos. „Es spielt sehr viel Ideologie bei den Gesprächen mit“, gibt ein VP-Politiker unumwunden zu. Auf SPÖ-Seite streitet man die Aversion gegen die Datenbank nicht ab.

Wien. Die ÖVP hatte einen Hintergedanken, als sie im März die Einführung der Mindestsicherung mit der von ihr geforderten „Transparenzdatenbank“ junktimierte: Die SPÖ sollte dazu gebracht werden, die von ihr wenig geliebte Datenbank über die Transferleistungen zu akzeptieren. Doch die liebt die SPÖ offenbar so wenig, dass sie jetzt sogar eine Verschiebung der Mindestsicherung riskiert. Dem Vernehmen nach spitzen sich jedenfalls die koalitionsinternen Verhandlungen zu den beiden Punkten zu. Das könnte im Extremfall dazu führen, dass die Mindestsicherung nicht wie geplant im September realisiert werden kann.

„Es spielt sehr viel Ideologie bei den Gesprächen mit“, gibt ein VP-Politiker unumwunden zu. Bei jedem Verhandlungspunkt habe man im Hinterkopf, ob man damit nicht der eigenen Klientel schade. Das spüre man vor allem bei der SPÖ, deren Wählerschichten in erster Linie von den in der Datenbank verzeichneten Transferleistungen des Bundes, der Länder und Gemeinden profitierten.

Förderung oder Bezahlung?

Auf SPÖ-Seite streitet man die Aversion gegen die Transparenzdatenbank gar nicht ab. Aber diese Datenbank müsse fair sein, und das sei in Bezug auf die ÖVP-Klientel nicht der Fall: Denn der Landwirtschaftsminister versuche, mehr als ein Drittel der Förderungen für die Bauern zu „unterschlagen“, und deswegen würden sich die Gespräche derzeit „sehr zäh“ gestalten.

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) wolle nur 1,4 der 2,2 Milliarden Euro an Zuschüssen für die Bauern „transparent“ machen. 800 Millionen Euro bezeichnet der Minister als „Entgelt“, für die SPÖ sind es aber Transferleistungen (das Geld wird unter anderem für das Mähen von Wiesen ausbezahlt). „Die Bauern leisten etwas dafür. Wir haben uns klar festgelegt, dass als Transferleistung nur Förderungen gelten, für die es keine Gegenleistung gibt“, betont man seitens der ÖVP. Für die SPÖ gehören die 800 Millionen dagegen als „klare Förderung“ in die Datenbank. Alles andere sei inakzeptabel.

Für die ÖVP ist der Streit Kalkül. „Die SPÖ glaubt, wir hätten uns ohnehin fix auf die Einführung der Mindestsicherung mit September geeinigt. Also kann sie bei der Datenbank ruhig hart spielen.“ Doch damit schneide sie sich ins eigene Fleisch: „Wenn es sich spießt, dann wird es die Mindestsicherung im September nicht geben.“

Gegen Betriebskontrollen

Um den Stichtag halten zu können, muss die einheitliche Sozialhilfe von 744 Euro netto pro Monat im Juni im Parlament behandelt werden. Sie steht bereits für 10. Juni auf der Tagesordnung des Sozialausschusses. „Wenn wir uns bis dahin bei der Transparenzdatenbank nicht bis ins Detail geeinigt haben, dann wird die Mindestsicherung wieder von der Tagesordnung genommen“, erklärt man im ÖVP-Parlamentsklub.

Zwar soll die Datenbank erst mit Anfang 2011 realisiert werden. „Aber wir stimmen sicher nicht der Mindestsicherung zu, ohne die Transparenzdatenbank unter Dach und Fach zu haben“, bestärkt ein ÖVP-Politiker.

Die angespannte Stimmung bei den Verhandlungen hat möglicherweise auch mit der Kampagne von Finanzminister ÖVP-Chef Josef Pröll gegen Steuerhinterzieher und Förderbetrug zu tun. Darauf würden nämlich einige SP-Politiker „recht sensibel“ reagieren, seit es um die Aufstockung von Betriebsprüfern bei der Sozialversicherung ging. Sie stellen fest, ob ein Unternehmen alle Arbeiter angemeldet hat. Das sei von der Volkspartei abgelehnt worden mit dem Hinweis, man könne doch ausgerechnet in der Wirtschaftskrise nicht eine „Aktion scharf“ gegen Unternehmen machen.

Auf einen Blick

■Die Fronten bei den koalitionsinternen Verhandlungen zur Mindestsicherung und der Transparenzdatenbank (in der alle Transferleistungen aufscheinen sollen) sind verhärtet. Es spießt sich an 800 Mio. Euro, die an Bauern ausbezahlt werden. Für die SPÖ sind das Förderungen. Die ÖVP meint dagegen, dass die Bauern für dieses Geld etwas leisten. Insgesamt erhalten Landwirte von der öffentlichen Hand 2,2 Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2010)

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