Väter ohne Rechte und Mütter ohne Lobby?

Vaeter ohne Rechte Muetter
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Emotionsgeladene Enquete zur gemeinsamen Obsorge. Auch die Experten, die sich die Parlamentsparteien eingeladen haben, tragen nicht wirklich zur Klärung des Problems bei.

WIEN.Auf der Journalistengalerie wird im Nationalrat an sich nicht applaudiert. Am Donnerstag sind die Plätze allerdings weniger mit Berichterstattern als mit emotionsgeladenen Betroffenen besetzt. Mütter und Väter, organisiert oder auch nicht, verfolgen die parlamentarische Enquete zur Änderung von Obsorge und Unterhalt nach Scheidung mit lautstarkem Applaus, mit Nicken, Kopfschütteln und bösen Blicken für die anderen. Die Stimmung ist bald so geladen, dass FPÖ-Abgeordneter Peter Fichtenbauer relativierend Richtung Galerie spricht: „Jeder, der hier klatscht, hat ein Beispiel für sein Klatschmodell.“ Die Beschwichtigung ist allerdings rasch zu Ende, indem Fichtenbauer von der Waffe Kind redet, die ein Elternteil oft gebraucht.

Einigkeit nicht vorzuschreiben

Aber, wie der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser so treffend feststellt: „Gemeinsamkeit kann man nicht vorschreiben, bestenfalls erarbeiten.“ Er bezieht sich zwar auf das von ÖVP, FPÖ und BZÖ favorisierte Modell einer automatischen gemeinsamen Obsorge für Scheidungskinder. Es beschreibt aber ebenso die Stimmung im Plenarsaal wie in der Koalition. Denn Justizministerin und Frauenministerin könnten nicht weiter auseinander sein. Claudia Bandion-Ortner glaubt an den positiven Effekt der Obsorgepflicht – eine „massive Reduktion der Unterhaltsstreitigkeiten“. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) bezweifelt, dass ein Automatismus deeskalierend wirkt und zielführend ist.

Die Experten, die sich die Parlamentsparteien eingeladen haben, tragen auch nicht wirklich zur Klärung des Problems bei. Im Gegenteil: Die juristischen Erörterungen erhöhen nur die Zahl der Möglichkeiten. Doris Täubl-Weinreich von der Richtervereinigung zum Beispiel schlägt eine dem Gericht vorgelagerte Vermittlungsstelle vor, um allen Beteiligten die „scheußlichen Obsorgeverfahren zu ersparen“. Die gemeinsame Obsorge „als Pflicht, nicht nur als Recht“ forciert Susanne Ferrari vom Institut für Zivilrecht in Graz. Sie denkt da nicht nur an geschiedene Paare. Sie würde die verpflichtende Obsorge (und den Unterhalt) auch für uneheliche Kinder einfordern. „Zwingende Besuchsregelungen schon in einem frühen Stadium“ befürwortet wiederum Bea Verschraegen vom Wiener Juridicum.

Abseits davon gibt es auch in den Reihen der Experten handfeste ideologische Differenzen. Elisabeth Wöran von der Plattform für Alleinerziehende behauptet zum Beispiel, dass nur Männer eine Lobby hätten, Frauen aber nicht. (Applaus der Mütter). Rechtsanwältin und Scheidungsexpertin Brigitte Birnbaum findet: „Man kann Väter nicht in den Kreißsaal und in die Väterkarenz holen und dann wieder verjagen.“ (Applaus der Männer).

Männer zu wenig präsent

Männerforscher Erich Lehner hakt genau da ein: „Die Wurzel des Problems liegt am Beginn der Beziehung, nicht an ihrem Ende.“ Die Grundstruktur der Familien sei noch immer so, dass Väter die Ernährer und Mütter die Kinderversorger seien und daher von Anfang an die gemeinsame Obsorge nicht gelebt werde. „Die Kinder brauchen aber Bezugspersonen, die präsent sind“, sagt Lehner und meint damit immer, nicht nur nach einer Trennung. (Applaus der Mütter und der Väter.)

Einseitiger ist die Zustimmung zu Lehners Forderung nach 50 Prozent Karenzvätern. Da klatscht auch Justizministerin Bandion-Ortner auf der Regierungsbank nicht mit. Und schon gar nicht als Sonja Ablinger die Frage stellt, ob mit der Pflicht zur gemeinsamen Obsorge auch die Pflicht zur gemeinsamen Teilnahme am Elternsprechtag komme? Die SPÖ-Abgeordnete gesteht den Vätern allerdings auch zu, dass sie gerne dem Vorurteil widersprechen würden, sich „nach der Geburt zu entfernen wie das Würstel vom Kraut“. (Applaus der Mütter, Nicken der Väter). Meinung S. 35

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2010)

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