Wien-Wahl: Wenig Potenzial für Migranten-Liste

Sirvan Ekici
Sirvan Ekici(c) APA (Robert Jaeger)
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Für eine mögliche türkisch-bürgerliche Liste stehen die Chancen rechnerisch schlecht. Das liegt unter anderem an der niedrigen Wahlbeteiligung von Migranten.

WIEN. Eine eigene Migrantenliste für türkischstämmige Wiener – dieser Plan, der derzeit in der türkischen Community diskutiert wird, könnte frischen Wind in den Wahlkampf zur Wiener Landtagswahl am 10.Oktober bringen. Wie „Die Presse“ exklusiv berichtete, soll eine solche Liste rund um ÖVP-Gemeinderätin Sirvan Ekici, die bei ihrer Partei keinen Platz mehr bekommen soll, zusammengestellt werden. Als Angebot an bürgerlich-türkische Wiener, wie es heißt.

Doch die Chancen, dass eine solche wahlwerbende Gruppe tatsächlich den Einzug in den Landtag schafft, dürfte eher gering sein – schon rein rechnerisch. Auf den ersten Blick sieht das Potenzial noch recht groß aus. Laut Statistik Austria lebten mit Stand 1.Jänner 2010 rund 29.531 wahlberechtigte Menschen in Wien, die in der Türkei geboren wurden. Dazu kommen noch all jene, die in Österreich geboren wurden, aber einen türkischen Migrationshintergrund haben – also Eltern, die aus der Türkei eingewandert sind. Insgesamt, so wird geschätzt, gibt es ein Potenzial von bis zu 60.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.

„In der Theorie hat man damit eine Chance“, sagt Politologe Peter Filzmaier, „aber in der Praxis ist es schwierig.“ Das liegt unter anderem an der niedrigen Wahlbeteiligung. Sie lag bei der Wiener Landtagswahl 2005 bei 60 Prozent. „Bei Migranten ist sie weit unterdurchschnittlich“, so Filzmaier.

Migranten wählen SPÖ

Dazu kommt, dass das Angebot einer bürgerlichen Migrantenliste nicht automatisch für alle Wiener mit türkischem Migrationshintergrund attraktiv ist. Die sind nämlich laut Filzmaier vor allem ein Stimmenreservoir für die SPÖ – das die Sozialdemokraten auch anzapfen, etwa durch türkischsprachige Inserate in den Medien der Community. Und mit Gemeinderätin Nurten Yilmaz hat die SPÖ auch eine Kandidatin, die in der türkischen Community punkten kann. Die ÖVP hingegen schaffe es bei der türkischen Community nur, die kleine Gruppe der Wirtschaftstreibenden zu gewinnen. Insgesamt sei es also fraglich, ob eine ÖVP-nahe Migrantenliste hier genügend Menschen aus der Community mobilisieren kann.

Bleibt noch die Möglichkeit, nicht nur türkischstämmige Wähler anzusprechen, sondern auch andere Migrantengruppen. Hier müsste sich die Migrantenliste allerdings auch mit heftiger Konkurrenz herumschlagen. Vor allem die Gruppe der österreichischen Serben wird heftig umworben – besonders von SPÖ und FPÖ. Bei den katholischen Kroaten versucht die ÖVP, nach Stimmen zu fischen. Insgesamt, so Politologe Filzmaier, sehe es für eine eigene Migrantenliste also eher schlecht aus. So sie am Ende überhaupt zustande kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2010)

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