Wilder Streit bei Honsik-Prozess

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Die Gerichtsverhandlung gegen Holocaust-Leugner Gerd Honsik geriet völlig außer Kontrolle, behauptete, er werde verfolgt wie Nelson Mandela: Der Richter lieferte sich Schreiduelle mit der Verteidigung.

WIEN. Der Holocaust-Leugner Gerd Honsik (68) stand gestern, Dienstag, erneut in Wien vor Gericht. Wieder wegen NS-Wiederbetätigung. Durch die Veröffentlichung zweier einschlägiger Bücher, „Schelm und Scheusal“ (darin wird der 2005 verstorbene „Nazi-Jäger“ Simon Wiesenthal angegriffen) und „Der Juden drittes Reich“, soll Honsik (er sitzt derzeit eine vierjährige Haftstrafe ab) gegen das Verbotsgesetz (§3g) verstoßen haben. Eine effiziente Aufarbeitung der Vorwürfe war jedoch nahezu unmöglich. Immer wieder lieferten sich Richter und Verteidigung gereizte Wortgefechte und Schreiduelle. Der Prozess stand am Rande des Abbruchs.

Staatsanwalt Stefan Apostol sagte über den „Vorzeige-Revisionisten“: „Er macht die Juden zynisch lächerlich. Gaskammern werden in ihrer Existenz geleugnet.“ Das Problem sei: „Es gibt nach wie vor Leute, die dumm genug sind, das zu glauben.“ Danach war Honsik-Verteidiger Herbert Schaller mit einer Replik am Wort. Diese uferte aus. So rezitierte der 87-Jährige, gegen den übrigens selber ein Ermittlungsverfahren wegen NS-Wiederbetätigung läuft, etwa das Wort eines Professors aus dem Jahre 1945. Der Vorsitzende des Geschworenensenates, Andreas Böhm, unterbrach Schaller mehrmals und schien dabei selbst immer nervöser zu werden, jedenfalls ließ er sich auf teilweise lautstark geführte Wortgefechte ein. Die Aufforderung, „zur Sache“ zu sprechen, garnierte Böhm mehrfach mit einem im Befehlston gesprochenen „Los!“, zwischenzeitig ließ er immer wieder Äußerungen von Schaller protokollieren. Dieser bat wiederholt darum, das Protokoll-Diktat noch einmal hören zu dürfen, was Böhm zu Bemerkungen über das schlechte Gehör des greisen Juristen veranlasste.

Erste Strafe im Jahr 1962

„Wenn Honsik so ein gefährlicher Goebbels-Nachfolger wäre, dann müsste es doch ein anderes Urteil außer dem Leugnen des Holocaust geben“, meinte etwa Schaller. An dieser Stelle verlas der Richter das 21 Vorstrafen umfassende Register des Angeklagten. Die erste Verurteilung stammt aus dem Jahr 1962 – wegen, wenig überraschend, Bruchs des NS-Verbotsgesetzes. Die letzte Entscheidung fällte das Oberlandesgericht Wien erst im März dieses Jahres. Es reduzierte die fünf Jahre Haft, die Honsik wegen der Herausgabe der Zeitschrift „Halt!“ bekommen hatte, auf vier Jahre. Sollte Honsik nun erneut verurteilt werden, kann daher nur noch eine Zusatzstrafe verhängt werden.

Schließlich entzog Richter Böhm dem Honsik-Verteidiger Schaller das Wort (für die Replik), wenig später widerfuhr dies auch dem zweiten Anwalt, Herbert Orlich. Dieser durfte, weil er – ohne am Wort zu sein – gegen das Vorgehen des Richters protestiert hatte, bald gar nichts mehr sagen und wurde schließlich in den Zuschauerraum verbannt.

Vertagung auf 9.September

Dann sorgte Honsik für Wirbel: „Es gab auf großdeutschem Boden keine einzige Gaskammer, dabei bleibe ich. Hier endet die 65-jährige Lüge von den Gaskammern in Mauthausen und Dachau, und ich wurde 25 Jahre lang verfolgt wie Nelson Mandela.“ Auch sei die Zahl von sechs Millionen getöteter Juden „falsch“, es seien 1,5 Millionen gewesen.

Angesichts der Umstände und der Ankündigung von 65 Beweisanträgen der Verteidigung wurde der Prozess auf 9.September vertagt.Meinung, Seite27

Auf einen Blick

Unter nervösen, teils lautstarken Wortgefechten zwischen der Verteidigung und dem vorsitzenden Richter begann am Dienstag in Wien ein neuerliches Strafverfahren gegen Holocaust-Leugner Gerd Honsik. Der Prozess musste auf 9.9. vertagt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2010)

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