Rot-Weiß-Rot-Card: Koalition will um Migranten werben

Koalition will um Migranten werben
Koalition will um Migranten werben(c) AP (Rudi Blaha)
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SPÖ-Sozialminister Hundstorfer drängt auf Kriterienkatalog mit Sozialpartnern bis Herbst für die "Rot-Weiß-Rot-Karte". Die Wirtschaftskammer warnt vor tausenden fehlenden Kräften in Tourismus, Gesundheit, Technik.

Wien. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) stößt mit seiner Forderung nach einer geordneten Zuwanderung auf offene Ohren bei seinen Regierungskollegen. „Eine arbeitsmarktkonforme Zuwanderung ist ein Teil der Antwort, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken und um unsere Sozialsysteme aufrechtzuerhalten.“ Das sagte am Montag Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) auf Anfrage der „Presse“. Davor hatte Spindelegger in der „Presse am Sonntag“ gefordert, dass Österreich bis 2030 rund 100.000 Zuwanderer brauche, sonst wäre das heimische Sozial- und Gesundheitssystem „nicht überlebensfähig“. Die Regierung solle sogar aktiv um diese Zuwanderer werben – für Branchen, in denen besonderer Bedarf besteht, darunter der Tourismus.

Hundstorfer will nun bis Herbst die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ durchsetzen, die den Zuzug nach „objektiven Kriterien“, darunter zum Beispiel freie Arbeitsplätze, regeln soll. Diese Karte steht im Regierungsprogramm, die federführende Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) wollte sie ursprünglich schon 2010 verwirklichen. Das Thema war zwischen der rot-schwarzen Koalition und den Sozialpartnern eingeschlafen, bis Spindelegger jetzt den Vorstoß wagte. Vor allem die Arbeitnehmerseite soll gebremst haben. ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger versichert nun, auch seine Partei sei für die rasche Umsetzung der „Rot-Weiß-Rot-Karte“.

„Mangel an jungen Arbeitskräften“

Hundstorfer, von Spindelegger bereits als „logischer Verbündeter“ genannt, zeigte sich „glücklich“ über die neue Debatte. „Ich habe immer gesagt, dass wir eine geordnete Zuwanderung brauchen, und begrüße den Vorstoß von Außenminister Spindelegger.“ Der Arbeitsmarkt, aber auch das Pensionssystem seien sonst in Gefahr. „Wir werden immer älter, und bereits ab 2015 besteht ein Mangel an jungen Arbeitskräften“, warnte der Sozialminister.

Von den Sozialpartnern, die an der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ mitarbeiten sollen, meldete sich die Wirtschaftskammer zu Wort: „Wir begrüßen sehr, dass man die Zuwanderung in Zukunft nicht mehr dem Zufall überlassen will“, sagte die Beauftragte für Migration und Integration, Margit Kreuzhuber.

Den größten Bedarf an Arbeitskräften verzeichnete das Arbeitsmarktservice im Jahr 2009 im Tourismus mit 29.106 freien Stellen für Kellner, 18.661Stellen für Köche sowie 11.131Stellen für Stubenmädchen. Auch im Handel sowie in klassischen Handwerksberufen, etwa bei den Elektroinstallateuren, bestand große Nachfrage. Diese werde insbesondere im Gesundheitssektor steigen, glaubt man in der Wirtschaftskammer: 2009 waren es hier 14.756 offene Stellen (plus 27 Prozent gegenüber 2008). Auch an der Schnittstelle von Technik und Wirtschaft werde der Bedarf an hoch qualifizierten Kräften steigen, so Kreuzhuber.

„Wir heißen Gäste und Mitarbeiter herzlich willkommen“, sagte Sepp Schellhorn, Kopräsident der Hoteliervereinigung. In seinen Augen braucht Österreich sogar wesentlich mehr als 100.000Zuwanderer bis 2030, wenn man das Sozialsystem stabilisieren wolle.

EU-Plan lässt auf sich warten

Österreich könnte mit seinem Werben um Ausländer Vorbild in der EU sein, meinte Spindelegger. Dort würden die Bemühungen um eine Lösung aber „stocken“. Die geplante „Blue Card“ sieht nur eine Zulassung von Schlüsselkräften für ein bis vier Jahre vor.

Zuwanderer, Schlüsselarbeitskräfte und diverse Karten

■ Zuwanderung seit 1970
Ohne Zuwanderung würde Österreich seit den 1970er-Jahren schrumpfen. Zuletzt waren es knapp 100.000 Zuwanderer pro Jahr. Weil jedoch auch viele Österreich verlassen, bleibt ein Saldo von 9000 bis 50.000 – je nach Jahr.

■ Schlüsselkräfte
Zu den Einwanderern gehören 2010 auch 8145 „Schlüsselarbeitskräfte“ und ausgewählte Familien-Angehörige aus Drittstaaten, die die Regierung aufgrund ihrer Qualifikation ins Land holt. Dazu kommen in diesem Jahr noch 7500 Saisonniers und 7500 Erntehelfer (jeweils zeitlich begrenzt).

■ Rot-Weiß-Rot-Karte
Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ ist Teil des Regierungsprogramms. Sie soll den Zuzug nach Kriterien wie freien Jobs regeln. Qualifizierte Zuwanderer sollen Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Hilfe bei der Integration bekommen. Details sind noch offen.

■ Blue Card
Auf EU-Ebene wird es ab 2011 die „Blue Card“ geben. Sie soll hoch qualifizierten Drittstaatsangehörigen den legalen Aufenthalt in der EU ermöglichen – für ein bis vier Jahre. Eine EU-Gesamtlösung der Zuwanderung fehlt noch.

Zuwanderung in Österreich
Zuwanderung in Österreich(c) APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. Juli 2010)

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