Pass für Babys als Chance für illegale Einwanderer

(c) Clemens Fabry
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Würden neugeborene Kinder von Ausländern automatisch Österreicher, hätten "illegale" Eltern Vorteile: Sie könnten nicht mehr so leicht abgeschoben werden.

WIEN. Die Grünen wollen Neugeborene in Österreich automatisch einbürgern. Mit diesem Vorstoß haben sie aber bei allen anderen politischen Parteien heftige Kritik geerntet. Zu groß ist vor allem bei der FPÖ und beim BZÖ, außerdem aber auch im Innenministerium die Sorge vor „Geburtentourismus“: Scharen von Ausländerinnen und ihren Männern könnten gezielt für Geburten nach Österreich kommen, damit ihre Kinder hier sofort die Staatsbürgerschaft bekommen – und sie selbst bessere Aussichten auf ein Aufenthalts- und Bleiberecht haben.

Grünen-Vizechefin Maria Vassilakou hatte sich zwar vor allem für die Kinder legal eingereister und aufhältiger Eltern für den österreichischen Pass stark gemacht. Fest steht aber: Käme eine automatische Einbürgerung auch für die Kinder von „Illegalen“, würde das die Juristen dieses Landes viel mehr beschäftigen als die bisherige Einwanderungspraxis. Denn die ausländischen Eltern könnten nicht mehr so leicht abgeschoben werden, wie Experten bei einem „Presse“-Rundruf meinten.

Als Hauptgrund nannten sie Artikel8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dieser regelt das Recht auf Privat- und Familienleben. Daraus lasse sich ablesen, dass „Familien das Recht haben, zusammenzubleiben, statt dass sie so einfach getrennt werden“, sagt Nicolas Raschauer vom Institut für Staatsrecht an der Universität Linz. Zumindest müssten die Behörden– zum Beispiel – „eher über humanitäres Bleiberecht nachdenken“ als bisher, ist der Professor überzeugt: „Wenn die Eltern einmal in Österreich sind und das Kind in den Genuss der Rechte eines Staatsbürgers gekommen ist, dann ist es nicht mehr ohne Weiteres möglich zu sagen: Gehts und nehmts das Kind mit.“

Innenministerium skeptisch

Diese Position vertritt man auch im Innenministerium. Artikel8 der EMRK könnte für „Illegale“ „durchaus positiv“ ausgelegt werden, die Fremdenpolizei also nicht einschreiten, sagt ein Experte im Ressort von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Ist eine Ausländerin legal mit Visum eingereist und hat sie hier ein Kind geboren, wäre ein humanitärer Aufenthalt für sie wahrscheinlich, meint auch er. Geht es um Asylwerber, könnten diese zwar möglicherweise kein Asyl bekommen, durch ihr Kind – immerhin ein österreichischer Staatsbürger – aber das Aufenthaltsrecht zuerkannt bekommen.

Auch die EU-Dimension müsste beachtet werden, heißt es im Ministerium: Als in Irland noch das Geburtsortsprinzip – die automatische Einbürgerung von Neugeborenen – galt, seien viele Eltern nur deswegen ins Land gekommen. Und dann auch in ein anderes EU-Land weitergereist, weil in der EU Freizügigkeit gilt. „Auch die Folgen für die EU-Partner sind zu bedenken“, heißt es im Innenressort.

Egal, ob die Eltern illegal oder legal in Österreich sind: Sobald ein Kind eingebürgert ist, hat es die vollen Rechte und Pflichten als Staatsbürger, darunter:
der ungestörte Aufenthalt im Land;
die Gleichheit vor dem Gesetz;
das Wahlrecht und das Recht auf eine Teilnahme an Volksabstimmungen oder -befragungen;
bei Männern: die Pflicht zum Wehr- oder Wehrersatzdienst.

Immer weniger Einbürgerungen

Die Einbürgerungen in Österreich nehmen allerdings drastisch ab: Im ersten Halbjahr 2010 ist die Zahl der Neo-Österreicher um 35 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2009 gesunken (siehe oben stehende Grafik). Die meisten neuen Staatsbürger kommen aus Bosnien und Herzegowina (616 Eingebürgerte bis Mitte 2010), der Türkei (427), Serbien (371), Kroatien (246) und dem Kosovo (181). Zwei von fünf Personen, an die die Staatsangehörigkeit verliehen wurde, sind schon hier geboren, wie die Statistik Austria meldet.

Die EU-Kommission verkündete am Dienstag, dass die meisten, die über Ungarn illegal in die EU einreisen, Österreich als Ziel haben, gefolgt von der Schweiz und Deutschland. Leitartikel, Seite27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2010)

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