Umbruch im Familienrecht: Eine Art Ehe light per Vertrag

Umbruch Familienrecht Eine light
Umbruch Familienrecht Eine light(c) Michaela Bruckberger
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Die Frauenministerin will Pflichten auch für Lebenspartner. Dies sei für eine automatische gemeinsame Obsorge notwendig. Väter wolle sie dadurch nicht verschrecken.

„Die Presse“: Sie sind das erklärte Feindbild der Männerpartei. Aber auch weniger radikale Väter verstehen nicht, dass Sie gegen die automatische gemeinsame Obsorge sind.

Gabriele Heinisch-Hosek: Es lag mir immer fern, die Väter zu verschrecken. Es gibt sicher viele, die darunter leiden, wenn ihnen ihre Kinder vorenthalten werden. Man kann sich aber nicht nur eine Rosine herauspicken. Wenn man die automatische gemeinsame Obsorge auf unverheiratete Paare ausdehnen will, dann muss man auch Pflichten einführen.

Was meinen Sie konkret?

Heinisch-Hosek: Ledige Väter haben innerhalb einer Partnerschaft derzeit keinerlei Verpflichtungen. Das will ich ändern – mit einem modernen Familienrecht. Es muss schließlich nicht mehr das Motto alles oder nichts gelten: Alles ist die Ehe, vor allem für die ÖVP. Und nichts ist die Lebenspartnerschaft. Solange die Mutter aber keinerlei Rechte gegenüber dem ledigen Vater hat, ist es auch gut, dass die Mutter die alleinige Obsorge hat.

Sie denken also an eine Ehe light?

Heinisch-Hosek: Der Ausdruck gefällt mir nicht, weil ich keinen Staatsakt mit Zeremonie will. Ich denke an einen Partnerschaftsvertrag, in dem beim Notar oder beim Bezirksgericht drei Dinge geregelt werden: Erstens ein gegenseitiger Beistand, um etwa Auskünfte im Krankheitsfall erhalten zu können; zweitens Regeln zu den gemeinsamen Investitionen oder Ersparnissen, die man in eine Beziehung einbringt, und drittens eine Festlegung, ob im Fall einer Trennung wechselseitige Unterhaltszahlungen geleistet werden oder nicht. Wer das vereinbart, soll in aufrechter Partnerschaft wie Ehepaare eine automatische gemeinsame Obsorge für die Kinder bekommen.

Sie waren doch prinzipiell skeptisch, was eine automatische gemeinsame Obsorge betrifft?

Heinisch-Hosek: Ich bin skeptisch, weil ich glaube, dass es Gründe gibt, warum sich die Hälfte der geschiedenen Eltern gegen eine gemeinsame Obsorge entscheidet. Ich bin für eine Abkühlphase: Ein Jahr soll ein Elternteil im Streitfall die alleinige Obsorge bekommen und erst dann soll erneut darüber entschieden werden.

Kommt es da nicht zur Entfremdung des Kindes von einem Elternteil?

Heinisch-Hosek: Das ist eine andere Geschichte, da muss an den Besuchsregelungen etwas geändert werden. Es ist in der Tat so, dass Väter oft Monate, manchmal sogar Jahre warten müssen, bis sie ein Besuchsrecht bekommen. Das ist nicht notwendig. Deshalb müsste bei einer einvernehmlichen Scheidung das Besuchsrecht in jedem Fall sofort geregelt werden.

Sie gehen also gleich mehrere Baustellen im Familienrecht an.

Heinisch-Hosek: Ich will überhaupt ein umfassendes neues Familienrecht. Ich verstehe die ÖVP nicht, dass sie nur einen Teil, die Obsorge, aus dem ihr so heiligen Eherecht herausnehmen will.

Für Sie ist die Ehe nicht heilig?

Heinisch-Hosek: Nein, sonst würde es nicht so viele Scheidungen geben. Außerdem hat sich das gesellschaftliche Leben massiv verändert. Es gibt viele Familienformen, Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien, gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder aus anderen Beziehungen mitbringen. In einem nächsten Schritt gibt es vielleicht auch Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare.

Da tun sich doch ideologische Riesengräben auf, oder nicht?

Heinisch-Hosek: Das sehe ich nicht so. Den Anfang haben die ÖVP und Kollegin Bandion-Ortner gemacht, indem sie die Obsorge aus dem Eherecht in die Lebensgemeinschaften transferieren wollen. Ich gehe nur einen Schritt weiter und füge den Rechten Pflichten hinzu.

Müssen Sie nicht auch als Frauenministerin umdenken? Sie erwarten von den Vätern, dass sie sich mehr an der Familienarbeit beteiligen, zögern aber bei den Rechten.

Heinisch-Hosek: Ich hätte so gerne in den Frauenbericht geschrieben, dass sich die Väter bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten in den letzten 15 Jahren verändert haben. Das ist nicht geschehen. Halbe-halbe gibt's noch immer nicht.

Familienpolitik ist doch immer ideologisch überfrachtet. Und wenn man sich einmal einigt, wie beim Ausbau der Kindergärten, hapert's an der Umsetzung von qualitativ hochwertigen Betreuungsplätzen.

Heinisch-Hosek: Wenn es da und dort Engpässe gibt, werden, glaube ich, recht praktikable Lösungen gefunden. Trotzdem gibt es nach wie vor ländliche Regionen, wo man von Rabenmüttern spricht, die ihre Kinder in den Kindergarten geben und wo man nicht erkennt, dass Gleichaltrige super voneinander lernen können. Mir wäre es ohnehin am liebsten, wenn es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gäbe. Das ist aber Materie der Länder. Auf jeden Fall müssten wir einen Bundesrahmenplan durchsetzen und gewisse Mindeststandards festlegen.

Wie groß die Macht der Länder ist, muss ja im Schulbereich gerade Ihre Ministerkollegin Schmied schmerzhaft erkennen. Steht uns da eine Regierungsumbildung ins Haus?

Heinisch-Hosek: Ganz und gar nicht. Da müssen sich nur alle Beteiligten einmal an einen Tisch setzen.

Sie sind ja immer im Gespräch für Höheres oder anderes. Würden Sie das Ressort wechseln?

Heinisch-Hosek: Mich füllt die Arbeit als Frauenministerin total aus. Und im öffentlichen Dienst haben wir ja auch genug vor.

ZUR PERSON

Gabriele Heinisch-Hosek (48) ist seit Dezember 2008 Frauenministerin und seit einem Jahr auch Vorsitzende der SPÖ-Frauen. Die Hauptschul- und Sonderschullehrerin kam erst 1999 in den Nationalrat, hat sich in den letzten Jahren allerdings eine einflussreiche Stellung in der SPÖ erarbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2010)

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