Stefan Schennach: Der grüne Genosse

Stefan Schennach gruene Genosse
Stefan Schennach gruene Genosse(c) Michaela Bruckberger
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Sonntagsspaziergang. Politik-Stratege, Barockmusik-Spezialist und Fußballtrainer-Biograf: Nach 23 Jahren bei den Grünen ist Stefan Schennach soeben zur SPÖ gewechselt.

Die Grünen hätten ihm sein politisches Wohnzimmer genommen. 19 Jahre war er hier in Wien-Döbling grüner Bezirksrat. Er habe dafür gekämpft, dass der Obkirchermarkt erhalten bleibe, verhindert, dass im Olympiapark und am Trautenauplatz 48 Wohneinheiten errichtet werden, das Kinderfreibad im Hugo-Wolf-Park gerettet, und in der Krottenbachstraße habe er gegen langjährigen Widerstand einen „beliebten Zebrastreifen“, im Volksmund bereits „Schennach-Streifen“ genannt, durchgesetzt. Sagt Stefan Schennach, doch recht beeindruckt von sich selbst.

Schennach schlendert durch den Franz-Weber-Hof. Auch hier hätten seine Döblinger Grünen Positives bewirkt. In den 1990er-Jahren hatte sich in dieser Wohnbauanlage eine starke rechte Jugendszene etabliert, es sei jedoch gelungen, dieses Problem mit Parkbetreuung in den Griff zu bekommen. Franz Weber war übrigens einst SPÖ-Bezirksvorsteher im heute „schwarzen“ Döbling.

Zu den Sozialdemokraten ist nun auch Schennach gewechselt – ein Überraschungscoup. Dabei war Schennach schon einmal SPÖ-Mitglied, in den 70ern – bis Zwentendorf. In der Hauptschule habe er sich sogar wegen Bruno Kreisky geprügelt, da ein Mitschüler den Kanzler beleidigt hatte.

Schennach ist im Tiroler Außerfern aufgewachsen, sein Vater war Arbeiter im E-Werk. „Ein typischer Tiroler Arbeiter“, der in der Gemeinde rot, im Land schwarz gewählt habe. Die Mutter habe eher zur SPÖ tendiert. Er selbst wurde zum aufmüpfigen Linken, als er in Tirol keinen Zivildienst machen durfte, „denn Tirol hatte unter Waffen zu sein“. Diesen holte der Sozialpädagoge dann in Wien bei der Katholischen Jugend nach. Sein damaliger Chef: Franz Küberl.

23 Jahre hat der „Realo“ Schennach die Politik der Grünen wesentlich mitbestimmt, offiziell nur als Pressesprecher – er diente allen Parteichefs von Freda Meissner-Blau bis Alexander Van der Bellen –, doch in Wirklichkeit war er die graue Eminenz der Grünen, der auch als Erfinder des grünen Aktionismus gilt. Für „Aktionismus als Sonderform der PR“ gebe es heute sogar ein Diplom an der Werbeakademie, an der er unterrichte, erzählt Schennach. Diese vormalige „grüne Trademark“ werde heute leider zu sehr vernachlässigt, findet der 54-Jährige.

Er gehe schon in Wehmut von den Grünen. „Und ich bedaure es, dass ich wirklich gute Freunde wie Maria Vassilakou enttäuscht habe.“ Allerdings verwahre er sich gegen Unterstellungen, er nehme sein „Geheim-Wissen“ plus Strategiepapiere nun zur SPÖ mit. „Ich habe alles am Server gelassen.“

Der Grund für seinen Wechsel? „Die SPÖ hat mehr Interesse an meiner internationalen Kompetenz.“ Schennach sitzt im Präsidium des Euromediterranen Parlaments, eines Gremiums der Mittelmeerländer und EU-Staaten. Und dort möchte er auch bleiben.

Nur noch Bundesrat. Er wäre natürlich auch gerne Bezirksrat geblieben. Aber die Grünen hätten ihm schon im Jänner ein künftiges Mandat verwehrt – „ohne dass ich damals einen Wirbel gemacht hätte“. Ein SPÖ-Bezirksratsmandat wird sich allerdings auch nicht ausgehen, denn die Listen sind bereits fixiert. Dafür wird Schennach auf einem SPÖ-Ticket im Bundesrat bleiben können. „Da wäre ich aber wohl auch bei den Grünen geblieben“, glaubt Schennach.

Derzeit organisiert der Vater eines 22-jährigen Sohnes, der bei ihm lebt, gerade die Nahost-Konferenz im Dezember in Wien. Sein Faible für die Außenpolitik verknüpft er mit seiner Vorliebe für Barock-Musik. In Moskau und Belgrad hat er die Austria-Barock-Akademie etabliert. Wie ihn die Länder Ex-Jugoslawiens überhaupt zu faszinieren scheinen. 2002 hat Schennach auch ein „Porträt vor dem Hintergrund eines zerfallenden Landes“ geschrieben – „Ivica Osim“, die Biografie.

Ein halbes Jahr lang traf er sich jede Woche mit dem damaligen bosnischen Trainer von Sturm Graz zu mehrstündigen Gesprächen. Den Anstoß zum Buch gab ein TV-Interview Osims nach dem ersten Auswärtssieg eines österreichischen Vereins in der Champions League. „Osim sah zum Fürchten drein“, erinnert sich Schennach. „Und dann hat er in der Stunde des Triumphs gemeint: Meine Gedanken sind beim Gegner, dort wurden Träume und Hoffnungen zerstört.“

Möglicherweise sind Stefan Schennachs Gedanken dieser Tage bei den Grünen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2010)

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