"Arbeitspflicht" für Arbeitslose spaltet die Koalition

Arbeitspflicht fuer Arbeitslose spaltet
Arbeitspflicht fuer Arbeitslose spaltetVP-Familienstaatssekretärin Christine Marek (c) APA (Helmut Fohringer)
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Die Bundes-SPÖ lässt die Volkspartei bei strengeren Auflagen für die Mindestsicherung abblitzen. VP-Staatssekretärin Marek fordert, dass arbeitslose Bezieher der Mindestsicherung zu gemeinnützig arbeiten.

Soll es für Bezieher der sozialen Mindestsicherung härtere Maßnahmen geben, damit sie rascher wieder arbeiten? Darüber ist jetzt, nur gut zwei Wochen nach Einführung der neuen Sozialhilfe von 744 Euro netto im Monat, eine heftige Auseinandersetzung innerhalb der Koalition entbrannt.

Mareks „Keule gegen sozialen Missbrauch“

Auslöserin für die heftige Debatte des SP-Koalitonspartners war Familienstaatssekretärin Christine Marek (ÖVP), die als ÖVP-Spitzenkandidatin mitten im Wiener Gemeinderatswahlkampf steht. Als „Keule gegen sozialen Missbrauch“ sollten Bezieher einer Mindestsicherung nach sechs Monaten ohne Job zu gemeinnütziger Arbeit in Gemeinden und Hilfsorganisationen verpflichtet werden, schlug sie mit Hinweis auf die „Bürgerarbeit“ in Deutschland vor. Tätigkeiten wie Straßenkehren oder Rasenmähen seien vorstellbar.

Damit geht Marek über die seit Anfang September geltenden gesetzlichen Auflagen zur Mindestsicherung hinaus. Diese wird vorerst in drei der neun Bundesländer (in Wien, Niederösterreich und Salzburg) ausbezahlt.

Dabei ist als Verpflichtung für den Bezug ausdrücklich die grundsätzliche „Arbeitswilligkeit“ des Empfängers festgeschrieben. Als arbeitswillig gilt, wer einen zumutbaren Job oder eine Schulungsmaßnahme annimmt. Ausgenommen sind Personen mit Betreuungspflichten für Kinder unter drei Jahren und Pflegefälle im Familienkreis. Bei Arbeitsverweigerung droht vorerst für sechs Wochen die Streichung des Sozialgeldes.

Pröll: Guter Vorschlag Mareks

Der Vorschlag Mareks sorgte für Zündstoff in der Sitzung der Bundesregierung am Dienstag. Zwar wird es nun Gespräche zwischen Marek und Sozialminister Rudolf Hundstorfer geben. Allerdings machten Bundeskanzler Faymann und Hundstorfer nach dem Ministerrat klar, dass sie keine strengeren Auflagen umsetzen werden. Die gesetzliche Regelung sei „ordentlich“, betonte der Regierungschef mit Hinweis auf die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten. Hundstorfer werde dies der Staatssekretärin auch „erklären“.

Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP)wertete dies als Zugeständnis für Verhandlungen und stellte sich hinter Marek: „Ein absolut richtiger Vorschlag.“ Er wolle nicht, dass die Mindestsicherung zur sozialen „Hängematte“ werde: „Ich sehe überhaupt nichts Negatives daran.“ Und auf die Frage, warum Marek ausgerechnet vor der Wien-Wahl und knapp nach Inkrafttreten der Mindestsicherung Verschärfungen vorschlägt? Pröll: „Gute Ideen können auch in Wahlkämpfen platziert werden.“

Bei der Bundes-SPÖ wird die ÖVP damit allerdings auf Granit beißen. Auf die Frage nach einem Zeitplan für die Gespräche meinte der Kanzler: „Mein persönlicher Verdacht ist der 11. Oktober.“ Faymann spielt damit darauf an, dass der Plan am Montag nach der Wien-Wahl vom Tisch sein werde.

In diese Kerbe schlug auch der Sozialminister, der im Vorschlag nur einen „billigen Wahlkampfgag“ sieht. Ob dieser vor der Wien-Wahl diskutiert werde? „Sicher nicht.“ Hundstorfer verwies darauf, dass – bei gesamt rund 800.000 Kunden des Arbeitsmarktservices – in rund 93.000 Fällen das Arbeitslosengeld bereits gekürzt wird.

Häupl: Von Fall zu Fall reden

Nach dem SPÖ-Nein aus der Regierung war die Reaktion aus Wien bemerkenswert: Bürgermeister Michael Häupl sah zwar ein „populistisches Signal nach rechts“. Eine generelle Regelung kann er sich nicht vorstellen. Aber: „Wenn man das von Fall zu Fall anschaut, ist das etwas, worüber man reden kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15. September 2010)

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