Darabos: „ÖVP arbeitet an Abschaffung des Heers“

bdquooeVP arbeitet Abschaffung Bundesheersldquo
bdquooeVP arbeitet Abschaffung Bundesheersldquo(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Heeresminister Darabos hält nichts von ener Einschränkung der Wehrpflicht. Eine weitere Reduzierung der Aufgaben des Heeres würde Katastrophenschutz und Auslandseinsätze gefährden.

„Die Presse“: Was sagen Sie zum ÖVP-Geheimpapier für eine Heeresreform?

Norbert Darabos: Ich halte fest, dass sich der Außenminister klar für die Wehrpflicht ausgesprochen hat und nicht daran rütteln will. Wir stehen zum Regierungsprogramm. Das angebliche Geheimpapier kenne ich nicht. Ich habe mit dem Kollegen Spindelegger in den letzten Tagen zwei persönliche Gespräche geführt und dabei wurde mit keinem Wort ein Reformpapier seitens der ÖVP erwähnt. Ich halte diese Vorschläge, die ich auch nur aus den Medien kenne, für falsch. Wir haben eine Bundesheerreform einstimmig im Parlament beschlossen. Eines ihrer zentralen Elemente ist, aufgrund der neuen politischen Rahmenbedingungen in Europa die Mobilmachungsstärke von 110.000 auf 55.000 Soldaten zu reduzieren. Und das wurde bereits umgesetzt.

In den neuen ÖVP-Vorschlägen heißt es aber offenbar, dass diese Zahl auf 15.000 heruntergeschraubt werden soll.

Darabos: Wenn das den Tatsachen entspricht, dann arbeitet eine Expertengruppe innerhalb der ÖVP an der Abschaffung des österreichischen Bundesheeres und an der Abschaffung jener Aufgaben, die das österreichische Bundesheer ausmachen. Ohne dass ich die Menschen in Österreich in Schrecken versetzen möchte: Aber dann wäre der Katastrophenschutz passé und die Auslandseinsätze wären nicht mehr durchführbar. Und das wäre sicher nicht im Sinne des Außenministers.

Auch in Deutschland wird nun die Wehrpflicht ausgesetzt. Warum beharrt Österreich als einer der letzten EU-Staaten auf der Wehrpflicht?

Darabos: Das ist nicht zu vergleichen. Deutschland ist zehnmal so groß wie Österreich. Das heißt aber nicht, dass Deutschland eine zehnmal so große Armee wie Österreich haben muss. Auch jetzt, da die Wehrpflicht in Deutschland noch besteht, werden nicht alle Wehrpflichtigen einberufen, sondern nur ein geringer Teil. Wir als neutraler Staat und Nicht-Nato-Mitglied fahren mit dem Mischsystem Berufssoldaten, Milizsoldaten und Grundwehrdiener am besten. Wir können nur mit diesem System 10.000 Mann für den Katastrophenfall und mindestens 1000 Soldaten für den Auslandseinsatz bereithalten. Jede Änderung bzw. Reduzierung in Richtung einer Berufskomponente würde diese Kompetenz gefährden. Auf dem Golan haben wir über 70 Prozent Milizsoldaten, bei den Auslandseinsätzen insgesamt liegt ihr Anteil bei 56 Prozent. Nur mit Berufssoldaten wäre dieses System nicht aufrechtzuerhalten.

Die jetzige Debatte ist nicht der einzige Reibungspunkt, den Sie mit Außenminister Spindelegger haben. Er will sich am UN-Einsatz im Libanon beteiligen, Sie aber nicht. Warum?

Darabos: Ich verstehe die Position des Außenministers in dieser Frage. Die politische Schwerpunktsetzung unserer Auslandseinsätze sollte aber auf dem Westbalkan bleiben, solange wir hier gebraucht werden. Wir würden unsere Reputation gefährden, wenn wir zu früh signalisieren würden, dass wir uns hier zurückziehen. Wir haben in Bosnien auch in absoluten Zahlen das stärkste Truppenkontingent aller, die sich an diesem Einsatz beteiligen. Und wir stellen den Kommandanten. Wir werden die Mission auf dem Westbalkan in voller Stärke und Qualität beenden müssen und dann darüber nachdenken, in andere Einsätze zu gehen. Das kann auch schon ab 2012 sein. Ich schließe dann einen Einsatz im Nahen Osten nicht aus. Aber Priorität hat aus meiner Sicht der Westbalkan.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.