Südtirol 1960: Historischer Appell Kreiskys an die UN

Vor 50Jahren, Ende September 1960, hatten Wiens Diplomaten Hochbetrieb. Mit ihnen die Politiker Nord- und Südtirols: Es ging um die Endfertigung jener Rede, mit der SP-Außenminister Bruno Kreisky im Oktober Furore bei der UN-Hauptversammlung in New York machen sollte. Das Thema: die unhaltbaren Zustände in Südtirol, die Unterdrückung der 300.000Altösterreicher durch die Italiener.

Kreisky zur Seite standen nicht nur der VP-Staatssekretär Franz Gschnitzer, sondern auch die Diplomaten Ludwig Steiner und Kurt Waldheim und die Völkerrechtsexperten Rudolf Kirchschläger und Alfred Verdroß (von Droßberg). Publizistisch vertraute er Fritz Molden von der „Presse“ und Gerd Bacher („Express“).

Schon am 7.September 1960 hatte in Innsbruck eine Besprechung das weitere Vorgehen bei den UN zum Thema gehabt. Die Erwartungen waren zu hoch gespannt, wie sich später zeigen sollte. So dokumentiert der Innsbrucker Zeitgeschichtler Rolf Steininger eine Aussage Gschnitzers: Verhandlungen ohne Landesautonomie seien unannehmbar.

Am 31.Oktober hielt Außenminister Kreisky seinen warnenden Appell an die Völkergemeinschaft: Mitten in Europa schwele ein ungelöstes Minderheitenproblem. Italien halte des Gruber-De Gasperi-Abkommen von 1946 nicht ein.

Der Lauf der Dinge sollte zeigen, dass Österreich Wasser in den Wein gießen musste: Die UN-Vollversammlung forderte beide Streitparteien auf, das Problem einvernehmlich zu lösen. Steininger: „Aus ,unannehmbar‘ war nun ,annehmbar‘ geworden. New York war halt nicht Innsbruck, der East River weder Inn noch Eisack.“

Nach dem Südtiroler Widerstandskampf, der 1961 eskalierte, gelangten die beiden Staaten schließlich zum heiß umkämpften „Südtirol-Paket“ mit Autonomiestatut. Nicht durchsetzen konnte der kleine neutrale Staat den Abriss provokanter faschistischer Denkmäler. Während Spanien zurzeit die letzten Denkmäler schleift, die das faschistische Franco-Regime verherrlichen, muss die Südtiroler Volkspartei zum aktuellen Streit über das faschistische „Siegesdenkmal“ in Bozen schweigen. Es ist sanierungsbedürftig. Mit großem Aufwand müsste es restauriert werden – auch die provokante Aufschrift („Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus“). Oder die Landesregierung empfiehlt Rom doch den Abriss. hws

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2010)

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