Was eine Berufsarmee bringt - welche Fallstricke warten

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Eine Umstellung des Bundesheers auf ein Berufsheer wirft Fragen auf. Die wichtigsten Antworten: Die Kosten sind höher, die Rekrutierung von Berufssoldaten ist schwierig. Dafür steigen aber die Steuereinnahmen.

Eine mögliche Umstellung des Bundesheers auf ein Berufsheer wirft eine Reihe von Fragen auf. Hier die wichtigsten Antworten.

1 Warum gibt es überhaupt die Forderung nach einem Berufsheer?

Die weltpolitische Lage hat sich geändert: Das österreichische Bundesheer ist immer noch primär auf die territoriale Landesverteidigung ausgerichtet, obwohl derzeit keine Bedrohung des Landes absehbar ist. Daher herrscht die Meinung vor, dass es für die Sicherheit des Landes wichtiger ist, wenn sich Österreich im Rahmen internationaler Einsätze an friedenserhaltenden Missionen im Ausland beteiligt. Und dass dafür ein professionelles Berufsheer besser geeignet ist. Allerdings: Die bisherigen internationalen Einsätze haben auch gezeigt, dass die Einbindung von Milizsoldaten (also Freiwilligenverbänden) von Vorteil ist, weil diese zivile Kompetenzen einbringen, über die Berufssoldaten nicht verfügen.

2 Kann ein Berufsheer alle derzeitigen Aufgaben des Bundesheers erfüllen?

Mit Einschränkungen, ja. Derzeit sind 55.000 Soldaten mobilisierbar, bei einem Auslaufen der Wehrpflicht müssen es deutlich weniger sein. Auslandseinsätze und Katastrophenschutz lassen sich aber zweifellos auch mit einer kleineren Truppe bewerkstelligen. Problematisch wird es, wenn sich die weltpolitische Lage wieder ändert und es doch noch einmal zu einer territorialen Bedrohung Österreichs kommen sollte. Was momentan nicht absehbar ist. Und noch ein Thema gibt es: den Schutz wichtiger Infrastrukturobjekte, von denen es rund tausend gibt. Letzteres könnte im Fall von terroristischen Bedrohungen zu einem tatsächlichen Problem werden. So lässt sich etwa die Bewachung der Wiener Hochquellwasserleitung nur mit größerem Personalaufwand bewerkstelligen.

3 Wie viele Soldaten würden einem Berufsheer angehören?

Der Generalstab geht von einer notwendigen Größe von 15.000 Berufssoldaten aus. Wenn Österreich wie derzeit 1000 Mann für internationale Einsätze stellt, sind allein für diese Aufgabe 5000 Soldaten notwendig, da die Einsatzkräfte dort immer wieder ausgetauscht werden. Dazu kommt noch der Katastrophenschutz, für den derzeit 10.000 Einsatzkräfte bereitstehen.

4 Welche Probleme würden bei einer Umstellung auftreten?

Die Umstellungsphase wäre zweifellos die größte Herausforderung. Derzeit gibt es genau die 15.000 Berufssoldaten, die man für ein Berufsheer benötigen würde. Aber: Es sind die falschen. Der Großteil der derzeitigen Berufssoldaten ist damit beschäftigt, das Funktionieren einer größeren Armee zu ermöglichen. Drastisch ausgedrückt: 50-jährige Vizeleutnants können ausgezeichnet die Versorgung eines Verbandes organisieren, der im Ernstfall mit Milizsoldaten aufgefüllt wird – aber man kann sie nicht zu einem Kampfeinsatz nach Afghanistan schicken. Dazu benötigt man junge Soldaten, die sich für einige Jahre verpflichten und danach einen anderen Berufsweg einschlagen. Bei einer Umstellung müsste man damit klären, was mit einem Großteil des derzeitigen Berufskaders passiert.

5 Gäbe es genügend Interessenten für eine Berufsarmee?

Die Rekrutierung wäre – wie internationale Beispiele zeigen – sicher ein großes Problem. Auch große Armeen wie die amerikanische oder die britische tun sich schwer, genügend Freiwillige zu finden. Wobei etwa in Amerika der Militärdienst für viele mit sozialem Aufstieg verbunden ist – ein Effekt, mit dem man in Österreich nicht rechnen darf. Bundesheer-Kenner verweisen darauf, dass derzeit viele Freiwillige erst durch den Grundwehrdienst für das Militär gewonnen werden können. Künftig müsste eine professionelle Anwerbung stattfinden.

6 Wie viel kostet eine Berufsarmee tatsächlich?

Gesicherte Zahlen darüber sind nicht vorhanden. Der Generalstabschef geht von deutlich höheren Kosten aus und nennt dabei eine Verdoppelung des derzeitigen Heeresbudgets von zwei auf vier Milliarden Euro. Berufsheer-Anhänger glauben dagegen, dass es auch deutlich billiger gehen kann. Klar ist, dass mit höheren Kosten als derzeit zu rechnen ist – schon deshalb, weil man mehr für das Personal ausgeben muss. Wer sich für einige Jahre für lebensgefährliche Auslandseinsätze verpflichtet, ohne Chance, auf Dauer beim Bundesheer bleiben zu können, wird das nur machen, wenn der Einsatz auch finanziell gut entlohnt ist. Die höheren Kosten muss man aber auch volkswirtschaftlich betrachten: Die jungen Österreicher kommen ein halbes Jahr früher auf den Arbeitsmarkt und tragen mehr zum Steueraufkommen und zu den Sozialabgaben bei.

7 Gibt es zum Berufsheer eine Freiwilligenmiliz?

Im Prinzip ja, aber auch da besteht das Problem, dass sich nur schwer Freiwillige finden werden. Das ist auch derzeit schon der Fall: Durch die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate und die Abschaffung der verpflichtenden Waffenübungen beruht die Miliz derzeit schon auf Freiwilligkeit. Und da zeigt sich, dass sich fast nur Offiziersanwärter melden, kaum aber Unteroffiziere und Mannschaften. Deshalb gibt es kaum noch Volltruppen-Übungen. Ohne Wehrpflicht fällt auch die Möglichkeit weg, während des Grundwehrdienstes Freiwillige anzuwerben.

8 Erhöht die Abschaffung der Wehrpflicht die Arbeitslosigkeit?

Da gibt es kaum Auswirkungen – und wenn, dann nur kurzfristig, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS). Der Arbeitsmarkt könne sich relativ problemlos auf derartige Schwankungen einstellen. Der positive Aspekt: Bei Lehrlingen, die derzeit für Präsenz- oder Zivildienst oft aus dem Arbeitsleben gerissen werden, könne eine Abschaffung sogar zu glatteren Karrieren führen. Probleme sehen dagegen die Universitäten: Die Platz- und Budgetsituation würde sich weiter verschärfen, da man sich plötzlich (bei den Männern) einmalig mit einer Art doppeltem Maturantenjahrgang konfrontiert sähe.

9 Was passiert mit dem Assistenzeinsatz an der Grenze?

Der müsste aufgrund fehlender Kapazitäten wohl auslaufen – aber dieses Schicksal droht dem Assistenzeinsatz ohnehin. Während früher die Soldaten noch illegale Grenzgänger aufgegriffen bzw. abgeschreckt haben, dient der Einsatz seit dem Fall der Schengengrenze nur noch der „Hebung des Sicherheitsgefühls“.

10Wäre eine Volksbefragung rechtlich bindend?

Nein, Volksabstimmungen sind bindend, nicht aber Volksbefragungen. Der Unterschied: Bei einer Volksabstimmung müsste der Nationalrat vorher ein Gesetz beschließen, über das dann abgestimmt wird. Bei einer Volksbefragung wird nur die Meinung zu einem Thema abgefragt. Allerdings könnte es sich die Regierung wohl politisch nicht leisten, das Ergebnis der Volksbefragung zu ignorieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2010)

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