Abschiebung: Experte sieht Rechtslücke

Abschiebung Experte sieht Rechtsluecke
Abschiebung Experte sieht Rechtsluecke(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Nach der Abschiebung der achtjährigen Zwillinge kritisieren Juristen die Vorgangsweise der Polizei - man hätte die Aktion abbrechen können. Eine kurze Schubhaft kann jedoch auch bei Kindern legitim sein.

[WIEN]Darf man Kinder in Schubhaft nehmen? Und wie sieht eine „familiengerechte“ Abschiebung aus? Die achtjährigen Zwillinge Dorentinya und Daniela K. und ihr Vater August sind zurück im Kosovo, doch die Probleme rund um die Causa sind noch da.

Noch einmal der Fall in Kürze: Nach der Ablehnung des Asyls wurden vergangenen Mittwoch Vater und Töchter in Wien von einer Wega-Truppe festgenommen und in eine „Familienzelle“ gebracht, bevor sie am Donnerstag ausgeflogen und von der Mutter getrennt wurden. Vera K. war zu dem Zeitpunkt nämlich auf der Baumgartner Höhe in psychiatrischer Behandlung. Laut dem Verein „Purple Sheep“, der die K.s betreut, weiß Vera K. nichts von der Abschiebung und muss gemäß Befund nun monatelang behandelt werden. Weshalb die Rechtsberater der K.s auch hoffen, dass Vera K. auch ohne Asylgrund ein Aufenthalt mit „aufschiebender Wirkung“ zugestanden wird und der Rest der Familie dann wieder einreisen und in Österreich bleiben darf, wo alle seit 2004 gelebt haben.

„Bescheid auf die Klotür picken“

Unabhängig vom Ausgang des Falls wird über das „Wie“ der Abschiebung diskutiert. Im Zentrum der Kritik – auch von unabhängigen Juristen – steht der Einsatz der Wega, den Innenministerin Fekter im „Presse“-Interview als „korrekt“ verteidigte. Während die Polizei keine Missstände erkennt, bezeichnet Georg Bürstmayr, Anwalt und Leiter der Kommission 1 des Menschenrechtsbeirats des Innenministeriums, die Polizeiaktion als „überzogen“. Statt mit voller Truppe zu kommen, hätte man einen Beamten vorschicken können, um zu sehen, ob es Widerstand gebe, und man hätte, als bekannt wurde, dass die Mutter im Spital sei, die Aktion abbrechen können – „und wohl müssen.“ Eine Verletzung des Art. 8 EMRK (Schutz der Familie) ist für Bürstmayr wahrscheinlich, eine Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat aber sinnlos: „Wenn keiner verletzt wurde, gibt es keinen Schadenersatz. Den Bescheid könnten sie sich auf die Klotür picken.“

Rechtens kann es dagegen sein, Kinder nur mit dem Vater abzuschieben. Die vom UN-Sonderbeauftragten Manfred Nowak in der ORF-Diskussion erwähnte Kinderrechtskonvention sei nämlich nicht direkt anwendbar, sagt Gerhard Muzak, Asylrechtsexperte der Uni Wien. Überdies sei bei Abschiebungen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eher rigoros. So kann prinzipiell eine kurze Schubhaft bei Kindern legitim sein. Verfassungsjurist Theo Öhlinger sieht jedoch eine andere „Rechtslücke“: Wenn die Gerichte für eine Abschiebung entschieden, dann könnten die Betroffenen nach der neuen Regel seit 2009 (unter die auch die K.s fallen) keinen separaten Antrag mehr auf humanitäres Bleiberecht stellen. Das sei mit der EMRK nicht vereinbar. Denn auch wer keinen Asylgrund vorweise, könne wegen langer Aufenthaltsdauer ein Recht haben, hierzubleiben. Dem widerspricht Bürstmayr insofern, als es nach wie vor ein Bleiberecht (korrekt: Niederlassungsbewilligung) gebe, sofern man nur neue Fakten vorbringen könne. Bei den K.s war das offenbar nicht der Fall. Laut „Purple Sheep“ wurde ihr Antrag abgelehnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2010)

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