Neues Budget ist fix: Kleine Deals am Steuerbazar

BUDGET-KLAUSUR: PR�LL/ FAYMANN/DARABOS/ST�GER/HEINISCH-HOSEK/FEKER/LOPATKA
BUDGET-KLAUSUR: PR�LL/ FAYMANN/DARABOS/ST�GER/HEINISCH-HOSEK/FEKER/LOPATKA(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (Herbert Pfarrhofer)
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Raucher, Autofahrer, Flugzeugpassagiere und Anleger werden zur Kasse gebeten: Wie die Regierung mit einer Drehung an der Abgabenschraube und Kürzungen für Familien doch ein Budget aushandelte.

Für die Gäste im Hotel Loipersdorf war es der wahrscheinlich bestbewachte Thermenurlaub ihres Lebens: Rund 50 Polizisten patrouillierten am Samstag vor dem Vier-Sterne-Tempel in der Oststeiermark, um die Regierung vor unliebsamen Besuchern abzuschirmen, die – wie schon tags zuvor – in Gestalt von protestierenden Studenten für Stimmung sorgten (mehr ...). Und insofern muss es auch ein ziemlich lauter Thermenurlaub gewesen sein.

Die Regierungsmitglieder wiederum, in den Sitzungspausen zwischen Polizisten und Bademantelträgern hindurchhuschend, hatten auch schon angenehmere Klausuren erlebt: Freitagabend war noch bis 23 Uhr verhandelt worden, ehe nach ein paar Stunden Schlaf die Fortsetzung folgte. Doch dann, am frühen Samstagnachmittag, stieg zumindest symbolisch weißer Rauch aus dem Budget-Konklave auf: Das Maßnahmenpaket für 2011 war fertiggeschnürt und der Budgetpfad bis 2014 im Wesentlichen beschritten.

Beides setzt sich aus kleinen Deals am Steuerbazar und teils schmerzhaften Einsparungen zusammen:

Die Mineralölsteuer wird angehoben – um vier Cent pro Liter Benzin, um fünf Cent pro Liter Diesel. Die Regierung nennt das „CO32-Zuschlag“. 2011 soll diese Maßnahme 417 Millionen Euro bringen, von 2012 bis 2014 jeweils jeweils 500 Millionen Euro.

Im Gegenzug wird das Pendlerpauschale um fünf Prozent erhöht und ein Jobticket geschaffen: Stellt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine kostenlose Fahrtmöglichkeit zum Arbeitsplatz zur Verfügung, ist das steuerfrei. Kostenpunkt: 20 Millionen Euro pro Jahr. Entlastet werden auch die Spediteure: Die Kfz-Steuer für Lkw wird um 30 Prozent reduziert, was mit jährlich 30 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Nach deutschem Vorbild wird eine Flugticketabgabe eingeführt. Für Flüge in Europa wird sie acht Euro, für längere Distanzen 40 Euro betragen. Nächstes Jahr bringt das 60 Millionen Euro ein, ab 2012 90 Millionen Euro.

Die Normverbrauchsabgabe (Nova) wird um eine CO32-Abgabe erhöht: Bei Pkw mit einem Schadstoffaustoß von 180 Gramm CO32 erhöht sich der Zuschlag von 25 auf 50 Euro pro Gramm; ab 220 Gramm sogar auf 75 Euro. Davon verspricht sich die Regierung in den ersten beiden Jahren 25 Millionen Euro, danach doppelt so viel.

Auch die Tabaksteuer wird erhöht: Die Preise steigen zwischen 25 und 35 Cent pro Packung Zigaretten. Das bringt 100 Millionen Euro im ersten Jahr, ab 2012 150 Millionen. Damit wird der Kassenstrukturfonds höher dotiert: um jährlich 40 Millionen Euro.

Die Vermögenszuwachssteuer auf Wertpapiere wird ab 1. Jänner 2011 auf 25 Prozent angehoben, die Spekulationsfrist fällt. Bisher waren Aktienerlöse innerhalb eines Jahres einkommensteuerpflichtig, danach steuerfrei. Die Mehreinnahmen durch die „Kapitralertragssteuer neu“ sollen von 30 Millionen Euro im Jahr 2011 auf bis zu 250 Millionen im Jahr 2014 steigen.

Bei der Stiftungsbesteuerung wird der Zwischensteuersatz verdoppelt – von 12,5 auf 25 Prozent. Bringt: 50 Millionen Euro jährlich. Darüber hinaus werden auch Liegenschaftsgewinne besteuert, wenn der Stifter eine juristische Person ist. 2011 bringt das noch nichts ein, 2012 aber 30 Millionen Euro, 2014 schon 50 Millionen Euro.

Eine Bankenabgabe wird eingeführt. Als Bemessungsgrundlage soll die Bilanzsumme herangezogen werden (exklusive Sparbücher und Eigenkapital). Davon verspricht sich die Regierung 500 Millionen Euro im Jahr.
Dafür wird die Kreditvertragsgebühr abgeschafft: Bei einem Kredit von 100.000 Euro bringt das dem Konsumenten 800 Euro Ersparnis. Kostenpunkt: 150 Millionen Euro pro Jahr.

Die Bezugsdauer der Familienbeihilfe wird vom 26. auf das vollendete 24. Lebensjahr reduziert, die 13. Familienbeihilfe soll nur noch pauschal 100 Euro betragen und für schulpflichtige – also sechs- bis 15-jährige – Kinder ausgezahlt werden. Gestrichen wird die Familienbeihilfe für arbeitssuchende Kinder zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr sowie nach der Berufsausbildung. Einsparungen im kommenden Jahr: rund 254 Mio. Euro.

Gestrichen werden auch der Alleinverdienerabsetzbetrag für Familien ohne Kinder und der Mehrkindzuschlag ab dem dritten Kind. Macht jährlich 66,7 Millionen Euro mehr.

Kürzungen gibt es auch beim Pflegegeld: Für Neufälle wird es Einschränkungen des Zugangs für die Stufen 1 (ab mehr als 60 Stunden pro Monat Pflegebedarf statt wie bisher 50) und 2 (85 Stunden statt 75 Stunden) geben. Das soll 2011 Einsparungen von 17 Millionen Euro bringen, bis 2014 steigt die Summe auf 142 Millionen Euro. Im Gegenzug wird bei Stufe 6 geringfügig um 18 auf 1260 Euro erhöhts.



Bei großen Bauprojekten kommt es zu Verzögerungen: Koralm- und Semmeringbasistunnel werden zeitlich aneinandergeführt. Das bedeutet, dass der Koralmtunnel erst 2022, also zwei Jahre später, fertig wird. Beim Semmeringbasistunnel geht es dafür schneller: Er wird ein Jahr früher, nämlich 2024, fertig sein. Für den Brennerbasistunnels gilt das nicht: Der Baubeginn verzögert sich von 2011 auf 2016.

Weitere Details:

"Weg aus der Schuldenfalle"

Mit diesem Sparpaket habe Österreich „den Weg aus der Schuldenfalle“ eingeschlagen, frohlockten Kanzler Werner Faymann und Finanzminister Josef Pröll gemeinsam am Samstagnachmittag, flankiert von allen Ministern. „Wir haben geschafft, was wir uns vorgenommen haben.“ Das Budgetdefizit sei von nun an im steten Sinkflug.
Die Thermengäste nebenan ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was auf sie zukommen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. 10. 2010)

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