Alle Wertpapierbesitzer müssen zahlen

(c) Clemens Fabry
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Von der neuen Kursgewinnsteuer sind nicht nur Aktienbesitzer, sondern auch Inhaber von Anleihen und Fondsanteilen betroffen. Analysten sorgen sich nun um die Wiener Börse.

Wien/b.l./APA. Etwa sechs bis sieben Prozent der Österreicher halten Aktien. Nicht nur sie werden künftig zur Kasse gebeten, sondern auch die Inhaber von anderen Wertpapieren wie Anleihen oder Fondsanteilen. Die am Wochenende beschlossene Vermögenszuwachssteuer erregt deshalb die Gemüter von Analysten und Anlegerschützern. Bisher mussten Privatpersonen Aktiengewinne nur dann versteuern, wenn sie die Aktien kürzer als ein Jahr in ihrem Besitz hatten. Diese Frist wird nun, wie berichtet, fallen. Künftig zahlt man auf alle Kursgewinne 25 Prozent Kapitalertragssteuer.

Hier die Details zur neuen Steuer:
• Betroffen sind nicht nur Besitzer von Aktien, sondern auch von Anleihen, Fonds und anderen Wertpapieren, sagte Harald Waiglein, Sprecher von Finanzminister Josef Pröll, am Dienstag: Auch wer Anleihen mit Gewinn verkauft, muss künftig eine 25-prozentige Steuer auf die Kursgewinne abführen.
• Bei Fonds werden zunächst Gewinne und Verluste, die der Fonds selbst erwirtschaftet, zu einem bestimmten Stichtag gegenverrechnet, die Differenz wird besteuert. Verkauft ein Anleger seine Anteile nach diesem Stichtag und fährt weitere Gewinne ein, muss er zusätzlich Steuer berappen. Sind die Gewinne hingegen geringer als zum Stichtag, kann er sich die Differenz per Einkommensteuererklärung zurückholen.
• Die neue Steuer gilt für alle Wertpapiere, die ab dem 1.Jänner 2011 erworben werden. Für ältere Investments gilt noch die alte Regelung: Wer die Wertpapiere vor Ablauf eines Jahres verkauft, muss etwaige Gewinne bei der Einkommensteuererklärung angeben. Karl Bruckner, Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, rät daher jenen Anlegern, die an weitere Kurssteigerungen glauben, noch heuer in Aktien zu investieren. Dann kann man etwaige Gewinne in den folgenden Jahren noch steuerfrei einstreifen.
• Die Kursgewinnsteuer wird gleich von den Banken eingehoben– wie auch die Kapitalertragsteuer auf Sparbuchzinsen. Verluste können gegenverrechnet werden. Man muss sie aber selbst in der Einkommensteuererklärung geltend machen, die Banken machen keinen Verlustausgleich.
•Ein Verlustvortrag auf spätere Wirtschaftsjahre ist laut Finanzministerium nicht möglich, ebenso wenig wie eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten (etwa der Lohnsteuer).
• Betroffen von der Änderung sind nur Privatanleger. Unternehmen mussten schon bisher Steuer zahlen, wenn sie Veräußerungsgewinne erzielten. Nicht betroffen sind dagegen Versicherungen sowie die Zukunftsvorsorge.

Die neue Steuer soll im ersten Jahr 30 Mio. Euro bringen, bis 2014 hofft man auf einen Anstieg auf 250 Mio. Euro pro Jahr. An dem Vorhaben hagelte es in den vergangenen Tagen herbe Kritik: Bernhard Felderer vom Institut für Höhere Studien will prüfen, ob von der Steuer nicht primär der Mittelstand betroffen sei.

„Bärendienst“ für die Börse

Der Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), Peter Brezinschek, kritisierte, dass von der Vermögenszuwachssteuer, die er grundsätzlich für problematisch hält, nicht alle Vermögensarten, etwa auch Immobilien, erfasst werden. Der Wiener Börse erweise man damit einen „Bärendienst“. In Österreich sei die Aktionärsquote ohnehin niedrig: Nur sechs bis sieben Prozent der Bevölkerung halten Aktien. In Deutschland seien es knapp 20 Prozent.

Der letzte Börsegang in Wien liegt mit der Strabag bereits drei Jahre zurück. Dagegen sind zahlreiche Unternehmen in den vergangenen Jahren nach Insolvenzen, Fusionen und Übernahmen vom Handel verschwunden.

Brezinschek weist auch das Argument, dass Aktien bisher nicht besteuert waren, Sparbücher aber schon, zurück: Die ausgeschütteten Gewinne (Dividenden) werden bereits mit 25 Prozent besteuert– genauso wie Sparbuchzinsen. Bei Aktien gehe es um Risikokapital, das die Unternehmen zum Wachstum bräuchten.

In der Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat man offenbar Schlimmeres befürchtet: Bruckner sprach von einem „einigermaßen moderaten Steuersatz“. Immerhin blieben bestehende Wertpapierdepots verschont. Er fordert jedoch, dass langfristige Anleger (ab einer Behaltedauer von fünf Jahren) steuerlich begünstigt werden, indem sie etwa mit dem halben Satz (12,5 Prozent) besteuert werden. Auch Wilhelm Rasinger vom Interessenverband für Anleger zeigte sich erleichtert, dass keine Substanzbesteuerung kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2010)

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