Katzian: „Brauchen sechs Urlaubswochen für alle"

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Katzian Gewerkschaft(c) APA/HERBERT NEUBAUER (Herbert Neubauer)
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Gewerkschafter Katzian sieht Verhandlungsbedarf beim Budgetvorschlag der Regierung und tadelt den „Lavendel" um unflexible Beschäftigte. Die Vermögensteuer kommt mit dem Budget 2012 wieder auf den Tisch.

Sie sind SPÖ-Nationalratsabgeordneter. Werden Sie dem Budget und den Begleitgesetzen in der jetzigen Form zustimmen?

Wolfgang Katzian: Es gibt eine Reihe von Punkten gibt, wo noch Gespräche notwendig sind. Jetzt läuft das Begutachtungsverfahren und dann der parlamentarische Prozess. Da werden wir die Anliegen des ÖGB einbringen und, wie ich hoffe, das eine oder andere noch durchsetzen.

Ohne Änderungen keine Zustimmung?

Das sind Konjunktivfragen.

Bundeskanzler Faymann ist für Änderungen offen, aber es müsste Alternativvorschläge geben. Welche sind das?

Daran arbeiten wir. Über drei Themen muss unbedingt noch geredet werden: die Familienbeihilfe und die Auswirkungen auf die Studierenden. Es ist für viele einfach nicht möglich, mit 24 das Studium abzuschließen. Und es ist auch für viele nicht möglich, etwa in Medizin, nebenbei einen Job anzunehmen, wenn man Anwesenheitspflichten an der Uni hat. Die Ansage, mit 24 muss man auf eigenen Beinen stehen, betrachte ich als zynisch.


Was muss noch geändert werden?

Bei den Gebietskrankenkassen gibt es eine Vereinbarung, die lautet: der Kassenstrukturfonds wird jährlich vom Bund dotiert, wenn die Kassen die formulierten Sparvorhaben einhalten. Die Kassen haben das zu hundert Prozent umgesetzt, also ihren Teil erfüllt. Aber die Mittel werden von 100 auf 40 Millionen gekürzt. Das geht nicht. Sonst haben wir in zwei Jahren wieder die Diskussion, die Kassen fahren an die Wand. Drittens verlange ich, dass die Länder ein Gutteil des Geldes, das sie durch neue Steuereinnahmen kriegen, zur Finanzierung der sozialen Dienste und der Pflege verwenden.

Für das Budget gibt es ja schon einige Maßnahmen auf der Einnahmenseite, auch vermögensbezogene Steuern. Die von der Gewerkschaft der Privatangestellten verlangte Vermögenssteuer ist aber nicht dabei.

Das schmerzt uns auch. Hätte man die Vermögenssteuer umgesetzt, zum Beispiel in der Form, wie es Bundeskanzler Faymann gefordert hat für Einkommen über einer Million Euro - wir haben ja gesagt ab 500.000 Euro - , müssten wir die eine oder andere Sparmaßnahmen bei den Familien nicht machen. Das heißt nicht, dass die Vermögenssteuer vom Tapet ist, das bleibt auf der gewerkschaftlichen Agenda.


Bis zum St. Nimmerleinstag?

Das glaube ich nicht. Spätestens im kommenden Jahr werden wir eine intensive Diskussion darüber haben, woher wir das Geld nehmen, um wesentlich mehr in die Universitäten zu investieren. Es stellt sich ja die Frage, was muss Österreich tun, um bei den wirtschaftlichen Veränderungen mithalten zu können. Eine Möglichkeit wäre, wir matchen uns mit Billigarbeitskräften in Aserbeidschan. Die andere ist, unsere Leute sind so gut ausgebildet, dass sie in diesem Veränderungsprozess mithalten können. Wenn man letzteres will, wird man viel mehr Geld in Bildung und Universitäten stecken müssen.


Und das dauert nicht bis St. Nimmerlein?

Es gibt zwar jetzt mit dem Budget einige Steuermaßnahmen. Aber es findet noch keine Strukturreform statt. Die Ungerechtigkeit im heutigen Steuersystem, die hohe Belastung des Faktors Arbeit, wird nicht beseitigt. Da muss wieder über die Besteuerung von Vermögen gesprochen werden.


Die Vermögenssteuer kommt also mit dem Budget 2012 auf den Verhandlungstisch?

Im nächsten Jahr wird sich die Frage stellen. Ob das jemandem passt oder nicht, das machen wir zum Thema.


Am 10. November gehen die Kollektivvertragsverhandlungen für den Handel weiter. Bleibt es bei Ihrer Forderung, dass auch 1300 Euro Mindestlohn fixiert werden soll?

Ja, selbstverständlich. Aber das ist nicht die einzige Stoßrichtung bei den Kollektivverhandlungen. Wir haben im Handel geschaut, dass beim Abschluss der Abstand etwa zur Industrie und zu anderen Branchen nicht größer wird. Im vergangenen Jahr ist das gelungen. Das ist auch ein Ziel für heuer.


Ab Mittwoch tagt das GPA-Bundesforum. Da wird ein Schwerpunkt die künftige Arbeitszeit sein. In welcher Form?

Wir haben uns in den letzten Jahren sehr intensiv mit Verteilung und Verteilungsgerechtigkeit beschäftigt. Der eine große Aspekt ist das Thema Geld, Stichwort Steuergerechtigkeit, wie vorher angesprochen. Das zweite Thema ist die Zeit. Durch neue Formen der Beschäftigung und bestimmten Unternehmen, die manche Regeln unterlaufen, ist an den Rändern sehr viel ausgefranst.


Die Wirtschaft wünscht sich aber noch mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit.

Eine EU-Kommissionsstudie hat erst vor wenigen Tagen attestiert, dass Österreich neben Großbritannien das Land mit der flexibelsten Arbeitszeit in Europa ist. Den ganzen Lavendel, wir sind alle so unflexibel, können sich jene, die das immer einbringen, abschminken. Ungeachtet dessen brauchen wir eine Diskussion über die Arbeitszeit. Es geht vor allem auch darum, wie man mit der Zunahme von Burn out umgeht. Eine Facette ist dabei der Urlaub: Es ist über 20 Jahre her, dass bei der Urlaubsregelung etwas gemacht worden ist. Es ist höchst an der Zeit, da wieder etwas zu tun.


Was konkret?

Es ist nicht vermessen zu sagen, wir brauchen eine sechste Urlaubswoche für alle. Daher wird das ein Thema beim GPA-Bundesforum sein.


Das könnte aber Arbeitnehmern auf den Kopf fallen, weil sich Dienstgeber dann eine Anstellung noch mehr überlegen.

Das fürchte ich nicht, weil Österreich, wie schon erwähnt, zu den zwei Ländern mit der flexibelsten Arbeitszeit in Europa zählt. Wir brauchen diese sechste Urlaubswoche sehr, sehr dringend. Burnout ist schon lange kein Thema nur mehr für Manager. Das hängt mit geänderten Formen der Arbeitsorganisation zusammen, wo mit Zielvorgaben und Budgets gesteuert wird. Daher muss man auch für entsprechende Regenerationszeiten sorgen. Sonst wird sich die hohe Zahl an Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspensionen fortsetzen. Das sind ja nicht alles Owezahrer. Die Statistik zeigt: jene, die in Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspension gehen, haben eine um zehn Jahre kürzere Lebenserwartung. Da kann man dann nicht sagen, das sind alles Tachinierer, die nichts arbeiten.

Zur Person

Im April 2005 übernimmt der gebürtige Stockerauer Wolfgang Katzian, der am 28. Oktober 54 wurde, von Hans Sallmutter den Vorsitz in der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), der größten Teilgewerkschaft des ÖGB, die 2006 mit der Druckergewerkschaft fusioniert wurde. Der gelernte Bankkaufmann ist in der GPA ab 1977 in der Jugendabteilung groß geworden.

Ende Juni 2009 wird der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Chef der SPÖ-Gewerkschafter. Unter Alfred Gusenbauer hat er Anfang 2007 einen Staatssekretärsposten abgelehnt, als Präsident der Wiener Austria sagte er wenig später nicht ab .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2010)

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