Regierung schiebt Sozialtourismus einen Riegel vor

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Bürger der Europäischen Union, etwa aus der Slowakei, können zwecks Auffettung ihrer Mindestpension nach Österreich ziehen. Dies wird nun unterbunden. Österreich will den Sozialtourismus aus der EU verhindern.

Wien. Österreich will den Sozialtourismus aus der EU verhindern. Konkret geht es um die Möglichkeit für Pensionisten, nach Österreich zu ziehen und hier eine Ausgleichszulage (Differenz auf die Mindestpension) in der Höhe von 783 Euro zu beanspruchen, was speziell in den neuen EU-Staaten, in denen oft nur Mini-Pensionen ausbezahlt werden, attraktiv ist.

„Die Nachricht verbreitet sich in der Slowakei wie ein Lauffeuer“, sagt Barbora K., in Österreich lebende Slowakin, die in der slowakischen Community schon des Öfteren gefragt wurde, wie man einen Antrag am überzeugendsten gestalte. Ausgehen würde das meist von jüngeren Slowaken, die hier arbeiten oder studieren und ihre Familien nach Österreich holen – oft nur zum Schein. „Ich kenne Pflegerinnen, deren Eltern in Bratislava leben und nur auf Papier in Niederösterreich. Und die haben jetzt Anträge gestellt“, erzählt K.

Während das Sozialministerium in der Vergangenheit immer betont hatte, mit verschärften Kontrollen die Angelegenheit im Griff zu haben und bei Schein-Anmeldungen und Missbrauch einzuschreiten, wird nun mit einer Novelle zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz dieser Möglichkeit komplett der Riegel vorgeschoben: Laut dem Entwurf liegt künftig kein Aufenthaltsrecht mehr vor, wenn der EU-Bürger Ausgleichszulagenleistungen in Anspruch nimmt.

Entwurf EU-rechtlich umstritten

Der Entwurf ist EU-rechtlich nicht ganz unumstritten. „Wenn das so apodiktisch im Gesetz steht, ist das sicher nicht haltbar“, sagt der EU-Rechtsexperte Walter Obwexer von der Universität Innsbruck der „Presse“. Denn der vorübergehende Bezug von Sozialleistungen müsse weiterhin erlaubt sein. Zumindest müsse der Gesetzestext definieren, was unter vorübergehend zu verstehen sei.

Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt hält dagegen den Gesetzestext für unbedenklich. Ein großes Problem war diese Form des Sozialtourismus zumindest bisher nicht, sagt das Sozialministerium. Mit Stichtag Februar dieses Jahres gab es lediglich 555 Bezieher von Ausgleichszulagen, die nur über eine ausländische Pension verfügen. Die überwiegende Mehrheit, nämlich 366, kommt aus Deutschland, darunter viele, die nach einem Arbeitsleben in Deutschland wieder nach Österreich zurückkehren. Auch das Interesse der Slowaken an der Regelung habe sich bisher noch nicht wirklich niedergeschlagen: Laut Pensionsversicherungsanstalt gibt es derzeit gerade einmal zehn Fälle.

Höhere Hürde für Zuwanderer

Noch eine zweite Bestimmung des Aufenthaltsgesetzes wird geändert – und das bringt höhere Hürden für potenzielle Zuwanderer aus Drittstaaten (also außerhalb der EU). Zuwanderer müssen nämlich nachweisen können, dass sie für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Künftig werden für diesen Nachweis Leistungen der öffentlichen Hand wie Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe und auch die Ausgleichszulage nicht mehr berücksichtigt.

Damit wird es deutlich schwerer, nach Österreich einzuwandern. Denn es gilt die Regel, dass ein allein lebender Antragsteller nach Abzug der Fixkosten wie Wohnung, Kredite oder Alimente noch mindestens 799 Euro zur Verfügung haben muss. Bei einem Ehepaar sind 1450 Euro notwendig, bei Kindern entsprechend mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2010)

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