Leitl fordert Prämien bei Verzicht auf Frühpension

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Politik und Ökonomen erteilen dem Anreizmodell für ältere Arbeitnehmer des Wirtschaftskammer-Chefs eine Abfuhr. Dabei brächte seine Idee eine Win-win-Situation für alle, wie Leitl am Montagabend in Wien meinte.

Wien. Als Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im August sein Anreizmodell für ältere Arbeitnehmer vorstellte, erntete er wenig Begeisterung. Auch beim zweiten Anlauf will kein Beifall aufkommen. Dabei brächte seine Idee eine Win-win-Situation für alle, wie Leitl am Montagabend in Wien meinte. Das Modell sieht vor, dass Arbeitnehmer, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt nicht in Pension gehen, sondern weiterarbeiten, trotzdem ein Viertel ihrer Pension ausbezahlt bekommen. Ein weiteres Viertel bekommt der Arbeitgeber, die Hälfte bleibt als Einsparung beim Staat.

Man müsste das durchrechnen, hatte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) im August gemeint. Geht es nach Leitl, kann sich Hundstorfer die Mühe ersparen. Die Wirtschaftskammer beauftragte nämlich den Pensionsexperten Bernd Marin, Berechnungen durchzuführen. Und der stellte dem Modell ein gutes Zeugnis aus: Schon bei einer Inanspruchnahme durch 14Prozent der Arbeitnehmer würde sich das Modell rentieren, rechnet Marin vor. Per Saldo ergebe sich eine Netto-Ersparnis von 277 Mio. Euro pro Jahr.

Kein Malus wie in Schweden

Einen Malus für jene, die früher in Pension gehen, sieht das Modell nicht vor. In Schweden gibt es hohe Abschläge bei frühem und hohe Zuschläge bei spätem Pensionsantritt. „In Österreich werden Abschläge an der Grenze zur Ausbeutung gesehen“, stellt Leitl fest.

Deshalb will er lieber jene belohnen, die länger arbeiten, als sie müssten. Eine geringfügig höhere Pension bietet seiner Meinung nach zu wenig Anreiz. Wer aber gleich ein paar hundert Euro pro Monat zusätzlich erhalte, könnte eher motiviert werden, länger im Arbeitsprozess zu bleiben. Laut Marin beliefe sich etwa die Prämie für Männer, die auf die Hacklerpension verzichten, auf durchschnittlich 256Euro netto pro Monat, bei Frauen wären es 207Euro.

Doch erneut hagelte es Abfuhren für den Leitl-Vorstoß: Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) kann sich allenfalls Zuschüsse für Menschen vorstellen, die über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten, jedoch keine finanziellen Zuckerln für jene, die über den frühestmöglichen Pensionsantrittszeitpunkt hinaus im Arbeitsleben bleiben.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) will zwar die Sozialpartner dazu einladen, über Anreizmodelle zu diskutieren. Er glaubt jedoch nicht, dass die Nettoersparnis beim Leitl-Modell so hoch ist, wie Marin vorrechnet. „Wir gehen davon aus, dass die Mitnahmeeffekte höher sind“, hieß es im Ministerium. Bereits jetzt würden viele Leute länger arbeiten, als sie unbedingt müssen. Und diese würden dann auch die Prämie erhalten. Marin will jedoch bei seinen Berechnungen die Mitnahmekosten berücksichtigt haben.

Im Ministerium hat man aber noch andere Vorbehalte: Das Leitl-Modell würde bei den Invaliditätspensionen nicht greifen. Und diese seien es, die das Pensionsantrittsalter in Österreich so niedrig halten (siehe nebenstehenden Artikel). Hier gebe es Handlungsbedarf. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen länger gesund und im Arbeitsleben bleiben“, sagt Norbert Schnurrer, Sprecher von Hundstorfer. Dazu will man verstärkt auf Rehabilitation statt Pension setzen.

IHS: Hacklerpension abschaffen

Auch IHS-Experte Ulrich Schuh bleibt bei seiner Ablehnung. Das Leitl-Modell würde genau jene beglücken, die es nicht brauchen, meint der Experte. Unterstützung bräuchten ältere Arbeitslose: Hier könnte man Zuschüsse an Arbeitgeber zahlen, die sie einstellen. Das Wirtschaftskammer-Modell beinhalte die „Gefahr massiver Mitnahmeeffekte“. Es wäre attraktiv für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Sozialministerium, nicht jedoch für den Steuerzahler.

Schuh rät, die „Schlamassel der Vergangenheit“ zu korrigieren und alle Anreize abzuschaffen, vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, etwa die Hacklerregelung oder die Altersteilzeit: Auch von dieser profitierten nur Menschen, die ohnehin einen Job hätten. „Die Idee dahinter war, dass man auf diese Weise Jobs für Junge schaffen könnte, aber das funktioniert ohnehin nicht.“

Auf einen Blick

Ein Anreizmodell der Wirtschaftskammer sieht vor, dass ältere Beschäftigte, die länger arbeiten, als sie müssten, 25 Prozent ihrer Pension erhalten. 25 weitere Prozent bekommt der Arbeitgeber. Der Staat erspart sich 50 Prozent. Kritiker meinen, dass die Prämie vor allem an solche Menschen ginge, die ohnehin länger arbeiten würden– auch ohne Prämie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2010)

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