Türkei distanziert sich von Botschafter

(c) Teresa Zötl
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Wirbel um "Presse"-Interview. Die Republik reagiert empört auf die Kritik des türkischen Botschafters Tezcan an Österreichs Integrationspolitik. Auch das Außenamt in Ankara bemüht sich um Schadensbegrenzung.

Wien. Auch nach dem Eklat kam es nicht zu dem gewünschten Treffen mit Außenminister Michael Spindelegger. Bei seiner Vorladung ins Außenamt musste der türkische Botschafter Kadri Ecvet Tezcan mit dem Leiter der Südeuropa-Abteilung, Georg Stillfried, vorliebnehmen. Es war ein Gesandter, der dem türkischen Spitzendiplomaten knapp vor zehn Uhr vormittags die Leviten für dessen Interview mit der „Presse“ las.

In einem Rundumschlag hatte Tezcan am Vortag scharfe Worte für Österreichs Ausländerpolitik gefunden. Es sei unglaublich, dass Integration Sache von Innenministerin Maria Fekter sei, die sich übrigens in der falschen Partei befinde. Den Österreichern attestierte er, kein Interesse für fremde Kulturen zu haben. Auch mit den Türken in Wien ging Tezcan ins Gericht, kritisierte ihre mangelnden Deutschkenntnisse. Doch darüber sprach am Mittwoch niemand mehr. Es sei völlig inakzeptabel, Attacken gegen einzelne österreichische Minister und einzelne Parteien (SPÖ, FPÖ) zu reiten, teilte Abteilungsleiter Stillfried dem herbeizitierten Botschafter mit. Der Ton sei unangemessen und entspreche nicht den Standards, die man von der türkischen Außenpolitik erwarte. Tezcan hörte sich die Klage an, stand auf und ging.

Schon um 8 Uhr früh hatte Spindelegger zum Telefonhörer gegriffen, um mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoğlu zu sprechen. Der war zunächst nicht über das Interview im Bilde, stellte bei einem Rückruf jedoch klar, dass er von dem neuen Kooperationskurs, den er mit Spindelegger vergangenen Oktober vereinbart habe, nicht abweichen wolle. In der ZiB2 bezeichnete Spindelegger Mittwochabend die Aussagen des Botschafters „beleidigend für alle Österreicher".

Botschafter bleibt bei Aussagen

Tezcan selbst ließ sich am Dienstag bei der „Presse" bedanken. Er wolle kein Wort zurücknehmen und bitte nur um eine kleine Richtigstellung: Nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Deutschland als christliche Gesellschaft bezeichnet, sondern der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach. Seine Aussagen zu Österreich relativierte er nicht.

Der Botschafter hob jedoch hervor, dass er im Interview seine persönliche Meinung ausgesprochen habe. Das war auch die Rückzugsposition des Außenamts in Ankara. „Alles, was wir sagen können, ist, dass der Botschafter ja gleich zu Beginn des Interviews festgehalten hat, dass er seine persönlichen Ansichten darlegt", hieß es auf Anfrage der „Presse". Diplomaten auf beiden Seiten waren um Schadensbegrenzung bemüht. Auch Tezcan. Er ließ die „Presse" wissen, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, jemanden zu beleidigen. Sein Ziel sei es gewesen, der Integrationsdebatte einen Impuls zu geben. Er werde sich wieder zu dem Thema äußern, sobald sich die erste Aufregung gelegt habe.

Die Aufregung war groß. Unmittelbar nach Erscheinen des Interviews ging eine Welle der Empörung hoch. Es sei absolut inakzeptabel, dass sich ein Diplomat so über die Innenpolitik eines Gastlandes äußere, ließ Finanzminister Pröll schon Dienstagabend ausrichten. Am Morgen danach war dann Bundeskanzler Faymann „empört", ebenso die Innenministerin. „Es ist eine unglaubliche Entgleisung und eines Botschafters nicht würdig, sein Gastland so zu attackieren", sagte Fekter. Sogar Vorarlbergs Landeshauptmann Sausgruber wies Tezcans Aussagen als „unzulässig" zurück. Das BZÖ forderte ein Ende der EU-Beitrittsgespräche, die FPÖ verlangte eine Aussetzung der diplomatischen Beziehungen. Aus der Ablehnungsfront scherten nur die Grünen aus, der Botschafter habe den Finger auf wunde Punkte gelegt, so Alexander Van der Bellen.

Auch das Ausland horchte auf. „Spiegel Online", „Welt", „FAZ", Schweizer und türkische Medien griffen das Interview auf. Am größten war die Erregung in Österreich. Auf die türkische Botschaft in Wien prasselte eine Flut von E-Mails und Telefonaten nieder, darunter viele rassistische. Bei der „Presse" gingen hunderte Mails und Postings ein. Zwei Leser luden den türkischen Botschafter zu sich nach Hause ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2010)

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Er bedauere den Wirbel um ihn, so der türkische Diplomat. Sonst hielt er sich sehr zurück. Mit seinen Aussagen habe er lediglich eine Integrationsdiskussion anregen wollen.

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