Rückendeckung durch Filmemacher für Botschafter

Rückendeckung durch Filmemacher für Botschafter
Rückendeckung durch Filmemacher für Botschafter(c) ORF
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"Er spricht auch aus meiner Seele", sagt der Student und Filmemacher Tabak. Die Entrüstung der Politik sei nur eine "erste schockierte Reaktion", auf die eine Sachdiskussion folgen muss, meint Regisseur Uzunkaya.

Der Linzer Filmregisseur Ünal Uzunkaya warnt im Gesprächdavor, die Debatte rund um das aufsehenerregende "Presse"-Interview des türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan zu personifizieren. "Diese Diskussion um seine Person ist irreführend und letzten Endes irrelevant, denn das Problem bleibt trotzdem. Man sollte stattdessen diese Gelegenheit nutzen, nicht das Übel in einer Person zu suchen, sondern ihn als Spiegel für den Unmut der 'Integranten' zu betrachten, nicht anders hat er auch agiert." Letztendlich habe er "unüblich für einen Diplomaten kommuniziert" und das Publikum "genutzt" - "stellvertretend für jene Migranten, mit denen er im Austausch ist".

Debatte gehe "noch viel weiter"

Uzunkaya eröffnete mit seiner Doku "Memleketim - Menschen meiner Heimat" über Migranten der zweiten Generation vergangenes Jahr das "Blickwechsel"-Filmfestival. Für ihn geht die Debatte "noch viel weiter": "Da geht es auch um die Migranten-Zweitgeneration, die mit mit ähnlichen Vorurteilen und Problemen zu kämpfen haben, sie müssen jedes Mal ihre Herkunft speziell erklären, verbale Vorarbeit leisten." Die Entrüstung und Ablehnung vonseiten der Politik sei jetzt "nur die erste schockierte Reaktion, in den nächsten Wochen wird sich einiges tun". Erst wenn eine sachliche Diskussion beginne, "ist der Boden für eine Neudefinierung der Integrationsthematik bereitet", meinte Uzunkaya. "Es kann natürlich in die eine oder andere Richtung gehen, hier liegt auch an der emotionalen Intelligenz, zu agieren."

Einzig und allein die pauschalisierenden Ausdrücke Tezcans kritisiert der Linzer. "Das liegt vielleicht ein bisschen an der türkischen Sprache, da das 'wir Türken' und 'ihr Österreicher' im Türkischen gar nicht so stark klingt wie im Deutschen, weil diese Abgrenzung nicht so verhärtet ist", so der Regisseur, der Tezcan auch persönlich kennenlernte. "Ich schätze ihn nicht als jemanden ein, der verbal abwertet."

"Stehe voll hinter ihm"

Hüseyin Tabak, Regisseur und Student der Wiener Filmakademie, hat sich "richtig gefreut", als er das Interview mit Tezcan gelesen hat. "Er spricht auch aus meiner Seele, ich stehe voll und ganz hinter ihm", so der Filmemacher. Tabak hatte im Rahmen der Viennale den Wiener Filmpreis für seine Doku "Kick Off" gewonnen und das Publikum bei der Abschlussgala genutzt, um sich über den ausländerfeindlichen Wiener Wahlkampf rechter Parteien zu äußern. "Wenn man hier lebt, wird die ganze Zeit über einen diskutiert", so der Deutsch-Kurde, der seit vier Jahren in Österreich lebt, "aber selbst kommt man nie zu Wort."

Da Migranten "und vor allem Türken" von rechten Parteien in Österreich öffentlich als Problem dargestellt würden, seien Menschen in Österreich wesentlich aggressiver und direkter als in Deutschland, wo Tabak 25 Jahre lang gelebt hatte. "Ob im Fitnessstudio oder in der U-Bahn, Menschen sehen mich und schimpfen neben mir offen über 'die Ausländer'", so der Deutsche mit türkischen Wurzeln. "In Deutschland würde man sich nie trauen, so etwas öffentlich zu sagen. In Wien liegt es in der Luft, man spürt es in der Atmosphäre, dass man als Problem angesehen wird."

Umso wichtiger sei es daher, dass die Debatte nun nicht im Rahmen von Wahlen stattfindet, "wo Politiker nur auf Stimmenfang sind". Den Vorwurf, Tezcan habe undiplomatisch gehandelt, weist Tabak zurück. "Er ist zwar letztendlich Diplomat, aber immer noch ein Mensch", so der Regisseur. "Wenn die deutsche Kanzlerin [Angela Merkel, Anmerkung] sagt: 'Multikulti ist tot', ist das auch nicht diplomatisch, sondern ein Angriff gegen Millionen von Migranten in Deutschland. Ich bin Multikulti, also wenn Multikulti tot ist, warum lebe ich dann noch?" Tezcan habe eher das Recht, sich so zu äußern, "weil er anders als viele Politiker beide Seiten kennt", meinte Tabak. "Angela Merkel war bestimmt noch bei keiner türkischen Familie Tee trinken."

(APA)

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