„Das ist eine österreichische Art der Fremdenfeindlichkeit“

Warum Türken oft unbeliebt sind. Studien belegen Skepsis und Vorbehalte, Experte Faßmann führt sie auf sprachliche, religiöse und kulturelle Distanz zurück. Eine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit gibt es hierzulande aber nicht.

[WIEN]Die Österreicher wollen die Türken zu 69 Prozent nicht in der EU; viele wollen sie auch nicht im eigenen Land – und schon gar nicht als Nachbarn: Deutsche oder Ex-Jugoslawen sind ihnen dann doch lieber, wie mehrere Umfragen in früheren Jahren ergeben haben. Der türkische Botschafter, Kadri Ecvet Tezcan, liegt mit seiner jüngsten Kritik nicht ganz daneben.

Mehr als 200.000 Türkischstämmige, die den Österreichern heute im Inland nahekommen – ihnen aber nicht nahe sind? Für den Migrationsexperten Heinz Faßmann von der Uni Wien ist das kein Widerspruch: Für die Österreicher gebe es eben „Abstufungen“: „Am liebsten sind uns die, die uns am nächsten sind. Nach Sprache, Religion, aber auch geografischer Distanz“, sagt Faßmann zur „Presse“. „In der Rangreihe gibt es welche, die weiter unten sind. Die Türken. Sie sind keine Nachbarn, meist islamisch, die Frauen tragen manchmal Kopftücher.“ Eine „kulturelle Distanz, die nicht nur eingebildet ist“ nennt das Faßmann – dazu kämen etwa auch Unterschiede beim Stellenwert von Frauen. Eine Imas-Umfragen vom Jänner zum Islam hat ergeben, dass 54 Prozent der Inländer diesen für eine „Bedrohung für den Westen und unsere gewohnte Lebensweise“ halten; nur 19 Prozent halten diese Aussage für falsch.

So sehr der Islam – und damit auch viele Türken – den Österreichern offenbar Angst macht: Nur fünf Prozent der Befragten stimmten in einer GfK-Erhebung vom März mehreren vorgelegten fremdenfeindlichen oder -skeptischen Aussagen – etwa: „Wenn die Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Österreich lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“ – voll oder weitergehend zu.

„Der Österreicher ist nicht besonders ausländerfeindlich“, sagt auch Faßmann. „Er hat eine relativ hohe latente Fremdenskepsis, die sehr selten ins Manifeste umschlägt: Wirkliche Übergriffe gibt es fast nie.“ Eher seien die Österreicher „grantig mit allem, auch mit dem Fremden. Das ist eine fast schon österreichische Art der Fremdenfeindlichkeit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2010)

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Er bedauere den Wirbel um ihn, so der türkische Diplomat. Sonst hielt er sich sehr zurück. Mit seinen Aussagen habe er lediglich eine Integrationsdiskussion anregen wollen.

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