Gerichtsdolmetscher vor Streikbeschluss

Gericht, Rechtsprechung, Justiz, Gerichtssaal, Landesgericht Wr. Neustadt  Foto: Clemens Fabry
Gericht, Rechtsprechung, Justiz, Gerichtssaal, Landesgericht Wr. Neustadt Foto: Clemens Fabry(c) (Clemens Fabry)
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Für Übersetzungen sollen künftig eigene Angestellte der Justiz zuständig sein. Das spart dem Staat Geld. Die Dolmetscher warnen aber vor einem Qualitätsverlust. Über Voraussetzungen könnte man aber noch nicht sagen.

Sirma Saglam ist zwar gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin für Türkisch. Der Sparplan des Ministeriums macht sie aber fast sprachlos. „Als Dolmetscher muss man doch die Rechtsterminologie kennen und eine gewisse Qualifizierung aufweisen“, betont Saglam. Diesen Job könne nicht jeder erledigen, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Im Justizministerium verweist man hingegen darauf, dass man durch den neuen Plan einiges an Geld sparen werde.

Sind an Prozessen Ausländer ohne ausreichende Deutschkenntnisse beteiligt, so bestellt das Gericht momentan einen Dolmetscher. Dieser wird frei aus einer Liste von gerichtlich zertifizierten Übersetzern ausgewählt. Künftig sollen die Dolmetscher in erster Linie vom Ministerium oder von der Justizbetreuungsagentur zur Verfügung gestellt werden. Es werde ein eigener Mitarbeiterpool geschaffen, heißt es aus dem Kabinett von Ministerin Claudia Bandion-Ortner. Das mache Übersetzungen billiger: Bereits für das nächste Jahr werde mit einer Ersparnis von 200.000 Euro pro Jahr gerechnet, diese Summe solle in weiterer Folge auf 800.000 Euro pro Jahr steigen. Denn je größer der Pool mit der Zeit werde, umso weniger externe Leistungen müsse man zukaufen. Das Ministerium garantiert, dass die neuen Dolmetscher über eine gleichwertige Qualifikation wie die zertifizierten Übersetzer verfügen würden. Welche Voraussetzungen die neuen Mitarbeiter zu erfüllen haben, konnte man aber noch nicht sagen.

„Ich finde das irgendwie suspekt“, meint der Wiener Anwalt Dieter Kindel. Da gebe es ein bewährtes Zertifizierungssystem, und nun wolle man auf dieses nicht mehr zurückgreifen. Überdies sei nicht gesichert, ob die dem Ministerium nahestehenden Dolmetscher auch alle unparteiisch sein werden. Die im Dolmetschpool tätigen Personen würden keinesfalls weniger unabhängig agieren als die jetzigen, betont hingegen das Ministerium.

Heute, Donnerstag, treffen sich in Wien die Türkisch-Dolmetscher. Dabei werde man über einen Streikbeschluss abstimmen, sagt Saglam. Beim Streik könnten dann auch die Übersetzer für andere Sprachen mitziehen. Der Boykott solle Übersetzungstätigkeiten auf internationaler Ebene betreffen, meint Saglam. Denn dafür werde man wegen der internationalen Verpflichtungen weiterhin gerichtlich zertifizierte Dolmetscher brauchen.

Justiznovellen im Budgetgesetz

Die neuen Dolmetschregeln befinden sich im Budget-Begleitgesetz. Mit diesem wurden etwa auch Änderungen bei der Körperverletzung eingeführt oder die Herabsetzung der Entschädigung für unschuldig einsitzende Häftlinge gemindert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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