Sozialversicherung gegen Hundstorfers Pensionsplan

Sozialversicherung gegen Hundstorfers Pensionsplan
Sozialversicherung gegen Hundstorfers Pensionsplan(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Der Hauptverband kritisiert die neue Hacklerregelung, auch die Differenzen um Änderungen bei Invalidität dauern an. Auch Experten des Finanzministeriums warnen vor Hundstorfers Plänen.

Wien/Pö/Apa. Mit seinen Reformplänen bei den Pensionen stößt Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) auf heftige Kritik. Kommende Woche will er sie im Ministerrat durchbringen. Doch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger schlägt Alarm: Die Pläne könnten der Verfassung widersprechen. Bei der Hacklerfrühpension für Frauen könnte EU-Recht verletzt werden, heißt es in einer Stellungnahme. Hintergrund ist, dass es auch nach der Neuregelung für Frauen im ASVG ab 2014 mit 57 (statt bisher 55 Jahren) weiter ein niedrigeres Zugangsalter als für Männer mit künftig 62 (statt bisher 60 Jahren) zu dieser Variante der Frühpension gibt.

Der Hauptverband, die Dachorganisation der Sozialversicherungsanstalten, wendet sich darüber hinaus gegen die unbefristete Verlängerung der Hacklerregelung. Die de facto dauerrechtliche Verankerung sei abzulehnen. Denn diese begünstigte Form der Frühpension (offiziell heißt sie „Langzeitversicherten-Regelung“) würde praktisch erst 2065 auslaufen. Zudem leitet der Hauptverband aus offenbar unklaren Gesetzesformulierungen ab, dass einzelne Jahrgänge auch künftig ohne Abschläge in Frühpension gehen könnten.

Problem um Nachkauf von Schulzeiten

Ein verfassungsrechtliches Problem sieht er beim Nachkauf von Schul- und Hochschulzeiten. Die schon ab 2011 vorgesehene Verteuerung von Mittelschulzeiten auf das Dreifache und von Hochschulzeiten um die Hälfte ohne Übergangszeitraum entspreche „wohl eher nicht“ den bisherigen Prüfungsmaßstäben des Verfassungsgerichtshofs. Den raschen Übergang kritisiert der Hauptverband auch bei den Ausbildungszeiten in der Landwirtschaft, die künftig kostenpflichtig sind. Eine Beitragspflicht für derartige Versicherungszeiten erscheine zudem zwar grundsätzlich berechtigt, allerdings sei der Betrag von 156,29 Euro im Vergleich zum künftigen Betrag für Schul- und Studienzeiten mit 957,60 Euro deutlich zu niedrig. Das sei nach dem Gleichheitsgrundsatz sehr problematisch.

Ebenfalls auf Widerstand stößt die rasche Anhebung des Beitragssatzes in der gewerblichen Sozialversicherung von 16,25 auf 17,5 Prozent. Bei den Landwirten wird der Beitragssatz bis 2014 in Etappen von 15 auf 16 Prozent angehoben. Dies erscheint der Sozialversicherung wirtschaftlich für viele Kleinbetriebe und Nebenerwerbsbauern untragbar.

Das Paket sehe einseitige und fast ausschließliche Belastungen für die Versicherten vor, urteilt die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft. Ob die von der Sozialversicherung aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Probleme tatsächlich zutreffen, müsste letztlich der VfGH bewerten. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat zumindest keine Bedenken geäußert.

Finanzressort bezweifelt Spareffekt

Auch Experten des Finanzministeriums und der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) warnen vor Hundstorfers Plänen – vor allem aus Kostengründen. Ihre Hauptkritik betrifft die vorgesehene Änderung bei den Invaliditätspensionen. Hundstorfer will, dass die Rehabilitation Pflicht für alle wird, ehe jemand in Invaliditätspension gehen kann. Das Sozialministerium schätzt, dass man 80 Prozent jener Personen, die die Rehab nützen, wieder in den Beruf holen könnte, statt sie vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. Finanzministerium und PVA hingegen rechnen nur mit 20 Prozent.

Dementsprechend unterschiedlich fällt die Kostenschätzung aus: Finanzministerium und PVA erwarten, dass man sich allein 2011 um 14 Millionen Euro weniger erspart, als Hundstorfer angibt. Im Jahr 2014 wären es dann bereits um 70 Millionen Euro weniger an Ersparnis, heißt es in dem Papier, das der „Presse“ vorliegt. Insgesamt geht man trotz Reform bei den Invaliditätspensionen davon aus, dass die Kosten 2011 um 29,9 Millionen Euro steigen. Im Gegensatz dazu rechnet Hundstorfer nur mit 1,7 Millionen Euro an Mehrkosten.

Auf einen Blick

Kommenden Dienstag erfolgt zuerst der Beschluss des Budgets 2011 und der Begleitgesetze im Ministerrat. Anschließend hält Finanzminister Josef Pröll seine Budgetrede im Nationalrat. In der Regierung wächst die Hektik: Bis zum Wochenende sollen die von der Regierungsspitze zugesagten Korrekturen bei den Einsparungen für Familien und Studenten ausgearbeitet werden. Für beträchtlichen Zündstoff zwischen Finanz- und Sozialministerium sorgen vor allem auch die Eingriffe bei den Pensionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.