Josef Prölls steiniger "Weg aus der Schuldenfalle"

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Der Finanzminister muss die Länder erst für Einsparungen gewinnen, der Bundeszuschuss zu den Pensionen explodiert trotz Sparkurs. Pröll gibt sich dann auch selbstkritisch und bezeichnet das Budget als Kompromiss.

Wien. Der Umfang ist beeindruckend: 157 Gesetze mit insgesamt mehr als 1000 Seiten umfasst das Budgetpaket samt Begleitmaßnahmen, das die Bundesregierung am Dienstag im Ministerrat beschlossen hat und das anschließend von Finanzminister Josef Pröll dem Parlament vorgelegt wurde. Trotz der Sparmaßnahmen und neuer Steuerbelastungen wächst der Schuldenberg: Im Bundesbudget wird es 2011 eine Neuverschuldung von knapp 7,6 Milliarden Euro geben. Die gesamtstaatliche Schuldenquote steigt weiter – auf 71,3 Prozent der Wirtschaftsleistung.

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Selbstkritik Prölls

Pröll gab sich bei seiner Budgetrede auch selbstkritisch: Er warb zwar für den „Weg aus der Schuldenfalle“, gestand aber ein, dass es sich „um einen Kompromiss“ mit dem Koalitionspartner handle. Pröll spielte auch darauf an, dass er Erwartungen auf größere Reformen geweckt hatte. Er habe diese Hoffnungen noch nicht erfüllen können, gab der Finanzminister zu.

Stabilitätspakt ist ausständig: Tatsächlich weist Prölls Budgetkurs Fallgruben auf. So ist für 2011 ein Zurückschrauben des gesamtstaatlichen Defizits auf 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgewiesen, 2012 soll das Defizit unter der Drei-Prozent-Marke der EU liegen. Der Haken: Der Anteil der Länder und Gemeinden am Konsolidierungskurs und damit ein neuer Stabilitätspakt müssen erst ausgehandelt werden.

Fast die Hälfte neue Steuern: Der zweite Schönheitsfehler betrifft das Verhältnis zwischen Sparmaßnahmen und neuen Belastungen. Für 2011 sind 1,4 Milliarden Euro durch Einsparungen und 1,2 Milliarden durch neue Steuern geplant, bis 2014 sind es für den gesamten Staat 15,3 Milliarden: etwas mehr als die Hälfte davon, rund 8,3 Milliarden Euro, durch Einsparungen, sieben Milliarden durch neue Steuern. Mit 54 zu 46 Prozent wird das von der Koalition angepeilte Verhältnis von 60 Prozent an Einsparungen und 40 Prozent an neuen Belastungen nicht erfüllt.

Nur Bund erfüllt Sparquote: Was den Bund betrifft, kommt das Finanzministerium für 2011 auf 63,4 Prozent Einsparungen, bis 2014 sind es sogar 68,2 Prozent. Der Grund: Der „automatische“ Anteil der Länder an den neuen Einnahmen ist herausgerechnet, diesen wurden aber die zusätzlichen Einnahmen zugesichert. Im Gegenzug forderte der Bund im Frühjahr 800 Millionen an Einsparungen, was jedoch offen ist.
•Höhere Abgabenquote: Wegen der neuen Belastungen steigt die Gesamtquote an Steuern und Abgaben auf 43 Prozent – das ist die höchste Belastung seit 2004.

Höhere Pensionskosten: In absoluten Zahlen betrachtet muss der Großteil der Ministerien 2011 mit weniger Geld auskommen als heuer. Neben den Bildungsressorts Schule und Wissenschaft sowie dem Infrastrukturministerium wachsen die Ausgaben auch im Sozialministerium – um rund 340 Millionen Euro. Der Grund sind explodierende Pensionskosten. Trotz einiger Sparmaßnahmen (keine Erhöhung von Pensionen ab 2310 Euro, keine Erhöhung im ersten Jahr der Pensionierung, Aliquotierung der Sonderzahlungen) steigt der Zuschuss des Bundes zu den Pensionen von heuer 8,8 auf 9,6 Milliarden Euro (ASVG, Bauern, Gewerbe). Ein Teil der Zusatzkosten wird durch geringere Ausgaben für den Arbeitsmarkt wettgemacht. Bis 2014 wird der Pensionszuschuss laut Pröll allerdings sogar auf elf Milliarden Euro hochschnellen. Dazu kommen noch rund acht Milliarden Euro für die Beamtenpensionen.

Höhere Gesamteinnahmen: Im Gegensatz zu den Jahren seit 1995, in denen die Ausgaben des Bundes im Schnitt um rund 2,9 Prozent gestiegen sind, werden diese nun erstmals im Budgetvoranschlag für 2011 in absoluten Zahlen um rund 600 Millionen Euro auf 70,1 Milliarden Euro gesenkt. Zur Konsolidierung tragen aber ganz entscheidend die günstigeren Wirtschaftsaussichten bei: Die Einnahmen sollen demnach um rund fünf Milliarden gegenüber dem Vorschlag für heuer auf 62,5 Milliarden wachsen. Bricht die Konjunktur ein, droht eine Defizitexplosion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2010)

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