Poker um Richterposten als Blamage für Justizressort

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Im Landesgericht Wiener Neustadt verhandelte eine neue Richterin, obwohl sie den Job noch gar nicht hatte. Hintergrund der Justizgroteske: der mögliche Rückzug von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner.

Wien/Wiener Neustadt. Die Sache ist richtig peinlich – und rückt ein Szenario in den Mittelpunkt, das seit Monaten die Runde macht: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner könnte demnach ihren Absprung aus der Politik vorbereiten, indem sie eine hohe Richterstelle frei werden lässt – um diese dann selber zu bekleiden. Auf diese Art könnte ihr etwa der Posten der Präsidentin des Landesgerichts (LG) Krems winken. Die derzeitige Präsidentin soll nach Wiener Neustadt wandern. Allein: Dieser Wechsel erfolgte bereits. Und musste wieder rückgängig gemacht werden.

Der Reihe nach: Die Präsidentin des Landesgerichts Krems, Ingeborg Kristen, hat sich um die Präsidenten-Stelle im Landesgericht Wiener Neustadt beworben. Sie möchte Rudolf Masicek nachfolgen. Dieser ist seit Ende 2010 in Pension. Bandion-Ortner hat Kristen telefonisch grünes Licht signalisiert. Bundespräsident Heinz Fischer, der zwingend das letzte Wort hat, hat diese Postenbesetzung aber noch nicht abgesegnet.

Fischer lässt sich nicht drängen

Dennoch war Kristen vom Personalsenat des Wiener Neustädter Landesgerichts bereits Ende 2010 als kommende Präsidentin gehandelt worden. Auch der scheidende Präsident Masicek war nach informellen Telefonaten sicher, dass Kristen den Job fix bekommt. Sie übernahm daher mit Jahresbeginn die Agenden ihres Vorgängers. Und führte bereits am 4. Jänner drei Berufungsverhandlungen. Am 5. Jänner langten drei Bestellungsdekrete in Wiener Neustadt ein. Diese galten aber drei neuen Richtern, die ebenfalls mit Jahresbeginn angefangen hatten. Jenes von Kristen war nicht dabei. Besorgt rief Kristen noch am selben Tag Bandion-Ortner an – und erfuhr die Hiobsbotschaft, dass der Wechsel keineswegs unter Dach und Fach sei. Eben weil Fischer noch nicht unterschrieben habe. Ab sofort galt: Kommando retour.

Bandion-Ortners Vorschlag, dass Kristen den Job bekommen solle, war erst am 22. Dezember in der Präsidentschaftskanzlei eingelangt. Dort hieß es später, man wolle einen solchen Vorschlag „nicht einfach durchwinken“. Mit diesem beharrlichen Standpunkt hat das Justizressort offenbar so gar nicht gerechnet. Die Unterschrift des Staatsoberhauptes dürfte als reine Formsache fix eingeplant gewesen sein.

Bandion-Ortner, die durch die teilweise Aufhebung „ihrer“ Bawag-Urteile unter Druck geraten ist, wies einen vorzeitigen Ausstieg aus der Politik bisher klar zurück: „Das ist ein dummes Gerücht, um mich zu diskreditieren.“ Auch habe sie im Telefonat mit Kristen keine fixe Zusage gemacht.

Präsidentin Kristen wiederum ist sich aber auch keiner Schuld bewusst: „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“ Mittlerweile ist sie wieder in Krems. Und dort weiter in Warteposition. Ihre drei sehr rasch geführten „Auswärtsverhandlungen“ in Wiener Neustadt müssen wohl wiederholt werden. Bleibt also die große Frage: Was tut nun Heinz Fischer?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2011)

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