U-Ausschuss immer noch kein Minderheitenrecht

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Opposition ortet Verzögerungstaktik und einen fehlenden Willen der Regierungsparteien, das Minterheitenrecht umzusetzen. Man kündigt eine Blockade von Verfassungsgesetzen an. Das wäre ein starkes Druckmittel.

Wien. Die Opposition ist sich ausnahmsweise einmal einig: In der Causa Grasser soll es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen. Bisher hat die Koalition das im Nationalrat abschmettern können. Das liegt auch daran, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses immer noch kein Minderheitenrecht ist, wie das Regierung und Opposition eigentlich einvernehmlich vereinbart haben.

Bis Februar, so die Vereinbarung, sollten die Reform der Geschäftsordnung stehen und die Untersuchungsausschüsse nach deutschem Vorbild gestaltet werden. Allerdings: Die Rede war von 2010. Seither wird verhandelt, und die Oppositionsparteien sind langsam ungeduldig. „Ich habe schon den Eindruck, der Wille der Regierungsparteien, hier zu einer Lösung zu kommen, nimmt deutlich ab“, sagt der Verhandler der Grünen, der Abgeordnete Dieter Brosz. Und er zweifelt schon, ob es überhaupt jemals zu einer Einigung kommen wird: „Wenn das bis Mitte des Jahres nichts wird, ist der Versuch gescheitert.“

Auch die Freiheitlichen sind skeptisch. „Die Sache dreht sich im Kreis“, sagt der Sprecher des Dritten Nationalratspräsidenten, Martin Graf. Man orte einen fehlenden Willen der Regierungsparteien, das Minderheitenrecht auch tatsächlich umzusetzen. Die Koalition setze auf eine Verzögerungstaktik. „Das stimmt so sicher nicht“, kontert der Zweite Nationalratspräsident, Fritz Neugebauer (ÖVP). Und auch SPÖ-Verhandler Otto Pendl glaubt, dass alle ernsthaft daran arbeiten, dass ein Kompromiss zustande kommt. Nicht einmal die Opposition sei sich einig, fügt Pendl dazu.

Tatsächlich gehen in der wichtigsten Frage die Fronten quer durch Koalition und Opposition: Wer nämlich künftig bei Streitfragen – etwa welche Akten vorgelegt werden müssen und ob diese geschwärzt werden dürfen – die Entscheidung trifft. ÖVP und Grüne setzen auf ein Verfahren analog zum deutschen Vorbild, nämlich ein Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof. SPÖ und FPÖ wollen dagegen eine Schiedsinstanz im Parlament einrichten.

Letzteres ist für die Grünen undenkbar. Denn im Parlament werde es letztlich auf Mehrheitsentscheidungen hinauslaufen, die Regierung könne dann wieder unangenehme Untersuchungen abwürgen. Die Freiheitlichen dagegen sehen den VfGH kritisch, sie fühlen sich von Verfassungsrichtern ungerecht behandelt. Und SPÖ-Verhandlungsführer Pendl führt praktische Gründe ins Treffen: Das deutsche Beispiel zeige, dass Verfassungsrichter zu lange für Entscheidungen benötigen. Bis das Urteil gefällt ist, sei der U-Ausschuss oft schon beendet.

Offen ist auch noch, welche Zahl von Abgeordneten notwendig sein soll, um einen U-Ausschuss einzuberufen. Das reicht von einem Viertel der Abgeordneten, wie beim deutschen Vorbild, bis zu zwei Parlamentsklubs, egal, wie groß diese sind.

Verfassungsgesetze blockieren?

„Wir schauen uns die Verhandlungen jetzt noch kurz an. Aber wenn es keine Lösung gibt, wird das mit Sicherheit nicht folgenlos bleiben“, warnt der grüne Abgeordnete Peter Pilz, ehemaliger Vorsitzender des Eurofighter-Untersuchungsausschusses. Möglich wäre, dass die Opposition beginnt, Verfassungsgesetze generell zu blockieren. Das wäre ein starkes Druckmittel, benötigt die Koalition zum Beschluss eines Verfassungsgesetzes doch die Hilfe zumindest einer Oppositionspartei. Die Blockade hat es schon einmal gegeben, als die Regierungsparteien den Spitzel-U-Ausschuss abgedreht haben. Beendet wurde dies erst mit dem Versprechen der Regierung, U-Ausschüsse als Minderheitenrecht einzuführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2011)

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