Nationalrat: Zwischen "Gulag" und "Olympia"

(c) Clemens Fabry
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Der FPÖ-Abgeordnete Harald Stefan wollte die Grünen laut Protokoll "in den Gulag" verbannen. Stimmt nicht, sagt er. Porträt eines Deutschnationalen.

Wien. Das Wort „GULag“ (auch Gulag) ist die russische Abkürzung für Glawnoje Uprawlenije Lagerej und heißt übersetzt „Hauptverwaltung der Lager“. Es steht für ein Repressionssystem in Stalins Sowjetunion, für Arbeitslager und Gefängnisse, für Terror, Menschenversuche und millionenfachen Tod.

In dieses System wollte FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan, einer der engsten Freunde von Parteichef Heinz-Christian Strache, während der Nationalratssitzung am Freitag die Kollegen von den Grünen verbannen. Das Protokoll schreibt Stefan folgenden Zwischenruf zu: „Alle in den Gulag!“ Es war der Höhepunkt eines Wortgefechts, das mit einer provokanten Rede des Grünen Peter Pilz begonnen hatte.

Den Rücktrittsaufforderungen schloss sich BZÖ-Mandatar Stefan Petzner ebenfalls an – wenn auch aus einem anderen Grund. Als Petzner in derselben Sitzung seine Zivildienstzeit zur Argumentation heranzog, sagte Stefan: „Hoffentlich hast du nichts mit Kindern zu tun gehabt.“ Petzner fühlt sich nun als Kinderschänder verunglimpft.

Harald Stefan ist kein unbeschriebenes Blatt in der österreichischen Innenpolitik. 2004 hätte der Wiener Notar beinahe Dieter Böhmdorfer als Justizminister beerbt – doch Jörg Haider legte sein Veto ein. Denn Stefan gehört wie der Dritte Nationalratspräsident, Martin Graf, der extrem rechten Burschenschaft „Olympia“ an, die regelmäßig einschlägige Referenten auf ihrer Bude begrüßt. Der britische Holocaust-Leugner David Irving etwa wurde im November 2005 in Wien verhaftet, nachdem ihn einige „Olympen“ für einen Vortrag eingeladen hatten.

Aus seiner deutschnationalen Gesinnung hatte Stefan nie ein Geheimnis gemacht; nicht im Ring Freiheitlicher Studenten, aus dem er kommt, und auch nicht im Wiener Gemeinderat, dem er von 2001 bis 2008 angehörte. Legendär ist eine Rede vom 25.Juni 2002, als Stefan den Bogen von der Wiener Kulturpolitik bis zur Fußball-WM spannte. Deutschland war nach einem Sieg über Gastgeber Südkorea soeben ins Finale eingezogen: „Wir haben 1:0 gewonnen!“, jubilierte Stefan. „Wir Deutschnationalen haben gewonnen!“

„Verkürzt dargestellt“

Die Rücktrittsforderungen gegen seine Person hält der 46-Jährige „für einen Scherz“, wie er der „Presse“ am Montag aus dem Skiurlaub erklärt hat. Seine Aussagen seien im Protokoll verkürzt wiedergegeben worden. Denn zu Peter Pilz, einem ehemaligen Marxisten, hätte er wortwörtlich gesagt: „Ihr Motto ist ja: Alle in den Gulag!“

Und Stefan Petzner hätte er niemals ins pädophile Eck stellen wollen. Ihn störe bloß „die aggressive Art“, die der BZÖ-Mandatar im Nationalrat regelmäßig an den Tag lege, sagt Stefan und bleibt dabei: „Meine Kinder würde ich ihm bestimmt nicht anvertrauen.“

Privat ist der dreifache Familienvater seit Kurzem mit der Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten Karin Hakl liiert – was nicht ganz ins (deutschnationale) Familienbild passt. Diese Verbindung soll in beiden Parteien nicht gerade Begeisterung hervorrufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2011)

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