Berufsheere: Rekruten verzweifelt gesucht

Weitreichende Probleme Umstieg Berufsheer
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20 von 27 EU-Staaten haben auf ein Berufsheer umgestellt. Dadurch ist die Qualität der Rekruten oft stark gesunken. In Spanien etwa ist die geistige Anforderung für die Aufnahme in die Armee gesenkt worden.

In der Europäischen Union haben 20 von 27 Staaten bereits auf ein Berufsheer umgestellt. In Österreich berufen sich Gegner der Abschaffung der Wehrpflicht auf die Probleme, mit denen viele dieser Staaten zu kämpfen haben. Der Milizverband etwa warnt davor, dass sich ein Berufsheer künftig aus "Randschichten, Unterschichten" rekrutieren und kein Volksheer mehr sein würde.

Tatsächlich haben viele Länder Probleme, genügend Soldaten zu finden. Die Qualität der Rekruten ist dadurch oft gesunken. Ein Überblick:

Spanien:

Auf der iberischen Halbinsel wurde bereits 2002 auf ein reines Berufsheer umgeschwenkt. Die Anlaufschwierigkeiten waren allerdings enorm, trotz hoher Arbeitslosigkeit gelang es nicht, ausreichend Personal für die vorgesehene 102.000 bis 120.000 Mann starke Armee zu rekrutieren.

Die Militärführung warb deshalb Tausende Soldaten aus spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas an, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit als Belohnung spanische Pässe erhalten sollen. Der notwendige Intelligenzquotient für Rekruten wurde von 90 auf 70 gesenkt. Das ist die Grenze zur Debilität. Mittlerweile wurde der IQ wieder auf 80 gehoben. Zusätzlich fischt die Armee im Pool arbeitsloser Frauen nach Verstärkung. Der Frauenanteil ist mit rund 13 Prozent der höchste in Europa.

Deutschland:

In Deutschland wird mit der Aussetzung der Wehrpflicht auch die Truppenstärke reduziert und zwar um mehr als ein Viertel von derzeit 255.000 auf 185.000 Soldaten. Deutschland führt einen freiwilligen Wehrdienst für bis zu 15.000 Soldaten ein. Dieser wird für Männer und Frauen offen sein und zwölf bis 23 Monate dauern.

Das erste Halbjahr 2011 wird zeigen, welchen Zulauf die Bundeswehr unter den Bedingungen der Freiwilligkeit haben wird. Aus Furcht vor einem Rekruten-Mangel plant die Bundeswehr, gezielt Geringqualifizierte anzuwerben. In einem Maßnahmepaket heißt es, angesichts der demografischen Entwicklung müssten verstärkt "junge Menschen mit unterdurchschnittlicher schulischer Bildung beziehungsweise ohne Schulabschluss" angesprochen werden.

Schweden:

SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos hat die schwedische Armee als Vorbild für seine Reformpläne auserkoren. Mit dem 1. Juli 2010 hat Schweden die Wehrpflicht abgeschafft und ist auf ein Berufsheer umgestiegen. Rund 18.000 Berufs- und Milizsoldaten sind beim schwedischen Berugsheer beschäftigt.

Allerding verläuft die Rekrutierung an Freiwilligen in Schweden nur schleppend an. Zum Jahreswechsel 2010/2011 hätten 5.300 Soldaten und Seeleute angestellt werden sollen. Gemeldet haben sich nur 2.400.

USA:

Die US-Armee war 2007 gezwungen, mit saftigen Prämien Soldaten anzuwerben. Wer innerhalb von 30 Tagen mit der Grundausbildung begann, bekam eine 20.000-Dollar-Prämie. Diese Summe überstieg in den meisten Fällen den gesamten Jahressold eines Rekruten.

Das alleine scheint aber nicht gereicht zu haben, denn die US-Armee hat gleichzeitig auch immer mehr Vorbestrafte aufgenommen. Die Zahl der Ausnahmegenehmigungen, die für die Aufnahme von Rekruten mit Vorstrafenregister benötigt werden, ist 2007 nach Medienberichten um ein Viertel gestiegen.

Großbritannien:

Bereits seit Beginn der 1960er Jahre existiert in Großbritannien eine Berufsarmee. heute gehören ihr rund 196.000 Soldaten an. Die Rekrutierung der Freiwilligen ist teuer: 2006 wurden dafür umgerechnet 131 Millionen Euro ausgegeben, bei einem Gesamtbudget von rund 33 Milliarden Pfund. Derzeit fehlen fast 6000 Soldaten.

Besonders große Rekrutierungsprobleme bekamen die Briten infolge der Kriege im Irak und in Afghanistan. 2005 war in Großbritannien davon die Rede, dass die Territorial Army an ihrem Tiefstpunkt angelangt sei und die Bodentruppen nicht einmal die Hälfte der benötigten Rekruten bekommen. 2007 wurde in einem Parlamentsbericht sogar die Einsatzfähigkeit der britischen Armee infrage gestellt.

Dass sich viele Briten gegen eine Karriere beim Militär entscheiden, liegt nach einem Parlamentsbericht hauptsächlich am Arbeitspensum, an vielen Einsätzen in Krisengebieten, der Trennung von der Familie und schlechter Bezahlung.

Belgien:

In Belgien führte fehlende Personalpolitik dazu, dass das Berufsheer völlig überaltert ist. Belgien hat den Wehrdienst 1994 abgeschafft, nachdem sich durch den Fall der Berliner Mauer die Bedrohungslage völlig geändert hatte. Die heutigen Berufssoldaten könnten besser mit kompliziertem technischem Gerät umgehen, argumentieren Militärs.

Die "Staatsbürger in Uniform" als Bindeglied zwischen Armee und Gesellschaft sei allerdings verschwunden. Der Jugend fehle die militärische Zucht, die Politiker hätten das Interesse an der Armee verloren. Zudem sei eine Berufsarmee viel teurer. Belgien hatte im vergangenen Jahr 38.626 Soldaten, davon 3165 Frauen.

(Zar)

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