Wilhelm Molterer lobbyiert für die Voest

SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES
SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES(c) APA/ROLAND SCHLAGER (Roland Schlager)
  • Drucken

Politischer Nebenberuf: Der frühere Vizekanzler und ÖVP-Chef lässt sich von der Stahlindustrie für Politikberatung bezahlen, obwohl er Nationalratsabgeordneter ist.

Brüssel. Der frühere ÖVP-Chef und Vizekanzler Wilhelm Molterer bestätigt Recherchen der „Presse", dass er parallel zu seinem Amt als Nationalratsabgeordneter auf eigene Rechnung die Interessen des Stahlkonzerns Voest vertritt.

„Ich habe über meine Firma das eine oder andere Mal konkrete Projekte mit der Voest gemacht", sagte er. „Herr Molterer hat als selbstständiger Berater die Voestalpine im Rahmen eines zeitlich befristeten Auftrags im Zusammenhang mit Energie- und Umweltfragen auf europäischer Ebene beraten. Der Beratungsauftrag läuft vereinbarungsgemäß aus", teilte die Voest der „Presse" mit.

Molterer begleitete Voest-Konzernchef Wolfgang Eder unter anderem am 9. Februar zu einem Gespräch mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger nach Brüssel. Die Spesen für diese Reise habe er über seine Firma verrechnet, sagte Molterer: „Es ist kein Cent öffentliches Geld dafür geflossen."

Voest-Chef Eder ist auch Präsident des Stahlindustrieverbandes Eurofer. Der Zeitpunkt seines Brüsselbesuchs mit Molterer fiel in die heiße Phase, als die Kommission zwei wichtige energiepolitische Dokumente fertigstellte. Beide wurden einen Monat später vorgestellt. In Oettingers Ressort wurde der „Energieeffizienzplan 2011" erstellt, der vorsieht, dass Industrieunternehmen ihren Energieeinsatz prüfen lassen müssen.

Im Büro mit Schüssel-Sprecherin

Oettingers Kollegin Connie Hedegaard wiederum hat den Fahrplan erarbeitet, wie Europa seine Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 senken soll. Diese „Energy Road Map 2050" ist der Stahlindustrie ein Dorn im Auge. Am Vorabend seines Gesprächs bei Oettinger gab Eder einen Empfang in Österreichs EU-Botschaft, wo er vor „Europas Deindustrialisierung" warnte.

Molterers Firma EuroAdvisory GmbH in der Wiener Mahlerstraße ist im Büro der Lobby-Agentur von Heidi Glück untergebracht, der Pressesprecherin des einstigen ÖVP-Kanzlers Wolfgang Schüssel. Ebenda residiert auch die Werbeagentur von Hemma Sassmann. Sie gestaltete Schüssels Wahlkampagnen 2002 und 2006. EuroAdvisory wurde laut Firmenbuch am 15. September 2010 gegründet. Auf der Firmenhomepage findet sich kein Hinweis, dass Molterer aktiver Politiker ist. Dafür bewirbt Molterer seine „europaweiten Kontakte zu Entscheidungsträgern".

Das wird bald der Vergangenheit angehören. „Ich bin dabei, das bis Jahresmitte zu beenden", sagte Molterer. Denn die Regierung hat ihn für einen Vizepräsidentenposten der Europäischen Investitionsbank nominiert. Dort sind Nebenjobs verboten. „Die EIB hat Code-of-Conduct-Regeln", so Molterer.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

LobbyistenAffaere StrasserBuero durchsucht
Politik

Lobbyisten-Affäre: Strassers EU-Büro durchsucht

Französische Behörden durchsuchten auf Anfrage aus Wien die Räumlichkeiten in Straßburg. Zeugen wurden befragt, Material beschlagnahmt.
Innenpolitik

Jarolim unter Druck: Prammer mahnt

Unvereinbarkeit: Die Nationalratspräsidentin fordert Beweise von Jarolim, dass kein Geld wegen der Staatsdruckerei-Klage geflossen sei. Hintergrund dürfte eine private Fehde gewesen sein.
Innenpolitik

Jarolim: „Habe nie ein Honorar bekommen“

Mandatar erklärt, er habe nur die Ressourcen seiner Anwaltskanzlei für politische Tätigkeit zur Verfügung gestellt. ÖVP und FPÖ schießen sich auf den SPÖ-Justizsprecher ein.
Porträt des Tages

Kritiker in der Kritik

Hannes Jarolim wettert gerne gegen Missstände in der Justiz. Nun muss sich der SPÖ-Politiker selbst rechtfertigen.
Jarolim: Lobbying-Vorwurf "an Haaren herbeigezogen"
Politik

Jarolim: Lobbying-Vorwurf "an Haaren herbeigezogen"

SP-Justizsprecher Johannes Jarolim bestreitet gegen die Staatsdruckerei lobbyiert zu haben. Jarolim wertet die Anschuldigungen als Retourkutsche aus der Volkspartei.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.