Nach Scharia-Urteil gegen Frau: Ruf nach Gesetzesänderung

(c) AP (Musa Sadulayev)
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Scharia-Urteil des OGH wird nun „ein Fall für die Politik.“ Justizministerium betont, dass "christliche, westliche Werte" zu gelten haben. SPÖ will Richtern in internationalen Fällen weniger Spielraum lassen.

Wien. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, laut dem in einem Unterhaltsstreit von Zuwanderern die Scharia angewandt werden darf, hat nun ein politisches Nachspiel. „Im Ministerium ist man hellhörig geworden. Möglicherweise kommen hier Rechtsauffassungen, die diametral dem westlichen Wertegerüst widersprechen, zur Geltung“, sagte ein Sprecher von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Die Sache sei nun „ein Fall für die Politik.“

Der Oberste Gerichtshof verweigerte, wie „Die Presse“ berichtete, einer Frau den nachehelichen Unterhalt. Dabei hatten die Vorinstanzen ihr den Unterhalt noch zugesprochen. Doch die Scharia sieht keine Zahlungen an eine Exfrau vor. Die Betroffene und ihr früherer Ehemann stammen aus Saudiarabien und hatten dort geheiratet. Beide leben seit Jahrzehnten in Österreich, die Frau wurde sogar eingebürgert. Trotzdem müssen die österreichischen Gerichte in einem solchen Fall bei der Scheidung das ausländische Recht anwenden.

Die ersten beiden Instanzen verweigerten aber die Anwendung des islamischen Rechts, da dieses österreichischen Wertevorstellungen zuwiderlaufe. Der OGH korrigierte das Urteil: Das islamische Recht sei anzuwenden, auch wenn es zu einer „schlichten Unbilligkeit“ führe. Erst wenn „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung“ verletzt werden würden, dürfe man das ausländische Recht außer Acht lassen. Diese Grundwerte seien aber noch nicht verletzt, wenn die in Saudiarabien geltende Scharia Unterhalt für die Exfrau ausschließt.

FPÖ: „Juristische Dekadenz“

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) stört, dass sich die Instanzen derart uneins waren, ob man das islamische Recht hier anwenden darf. „Der große Interpretationsspielraum der Richter ist sicher problematisch“, hieß es aus dem Büro der Frauenministerin. Heinisch-Hosek werde sich bei ihrer Regierungskollegin Bandion-Ortner dafür einsetzen, dass künftig von Anfang an klarer ist, wann ausländisches Recht zu gelten hat.

Am stärksten stößt sich am Urteil naturgemäß die FPÖ: „Das Urteil ist unglaublich“, sagt Generalsekretär Harald Vilimsky. Er spricht von „juristischer Dekadenz“ der Höchstrichter, die mit spitzfindigen „Winkelzügen“ die Scharia in Österreich anwenden würden. Von hiesigen Gerichten solle nur österreichisches Recht angewandt werden, fordert Vilimsky. Die FPÖ will eine dementsprechende Gesetzesänderung im Parlament einbringen. Eine solche Initiative schwebt auch dem BZÖ-Mandatar Gerald Grosz vor. Er plant überdies eine parlamentarische Anfrage an Bandion-Ortner.

Das Justizministerium betonte am Mittwoch aber auch, dass den Richtern kein Vorwurf zu machen sei. Sie hätten sich im Rahmen der Gesetze korrekt verhalten. Sehr wohl überlegt Bandion-Ortner aber nun eine Gesetzesänderung. „Unsere Rechtsprechung hat nach den Werten der christlichen, zivilisierten, westlichen Welt zu erfolgen und jedenfalls nicht nach der Scharia“, präzisierte der Sprecher Bandion-Ortners.

Obsorge: Heute Gipfeltreffen

Austauschen können sich die Justiz- und die Frauenministerin bereits heute, wenn sich die Ministerinnen aus einem anderen Grund treffen. Ein Obsorge-Gipfel steht an. In einer großen Expertengruppe war eine Einigung über Reformen im Familienrecht gescheitert, nun versuchen es die Ministerinnen zu zweit. Bandion-Ortner möchte, dass nach einer Scheidung die Obsorge beider Eltern zum Regelfall wird. Heinisch-Hosek ist gegen dieses Modell.

Auf einen Blick

Wenn österreichische Gerichte Fälle mit einem ausländischen Hintergrund lösen müssen, dann muss in der Regel auch das ausländische Recht angewandt werden. Für Aufregung sorgt ein aktueller Fall, in dem eine gebürtige Saudiaraberin keinen Unterhalt vom Exmann erhält, weil dies die Scharia nicht vorsieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2011)

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