Koalitionäres Lobbying gegen Lobbyisten

Lobbying gegen Lobbyisten
Lobbying gegen Lobbyisten(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Das geplante "Lobbyisten-Register" von Justizministerin Bandion-Ortner entzweit die Koalition. Die Parteien übertrumpfen einander mit Ideen, wie die Glaubwürdigkeit in der Politik wiederhergestellt werden kann.

Der Begriff der „Anständigkeit“ hat plötzlich Hochkonjunktur in der Innenpolitik. Ausgelöst durch die Lobbyismus-Affäre rund um Ernst Strasser, den mittlerweile zurückgetretenen EU-Delegationsleiter der ÖVP, hat sich in den vergangenen Tagen ein regelrechter Wettlauf zwischen den Parteien entsponnen, wer lauter für mehr „Offenheit, Transparenz und Offenlegung“ eintreten kann. Großer Streitpunkt ist das geplante Lobbyisten-Gesetz von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die nun versucht, das ramponierte Image der ÖVP zu retten. Und auch Parteifreund Außenminister Michael Spindelegger sagt, dass nach der großen Enttäuschung nun dringend eine Regelung gefunden werden müsse.

Die Opposition hatte die Maßnahmen der Ministerin am Samstag als zu zahnlos kritisiert. Das geplante Lobbyisten-Register sei nicht mehr als eine „Minimalvariante“, lautet der Vorwurf. Der Koalitionspartner SPÖ spricht gar von einem „Placebo“. Die Ministerin verteidigt den Entwurf, den sie bis Mai gesetzlich verankert wissen will.

Geplant ist ein Register, in dem nicht nur Name und Anschrift von Lobbyisten, sondern auch Auftraggeber, Auftragsziel und – ab einer gewissen Höhe – die Auftragssumme öffentlich einsehbar sein sollen. Zudem soll es ein Verbot für Amtsträger geben, als Lobbyisten tätig zu sein. Bei Verstößen gegen die Registrierungspflicht sollen „saftige Geldstrafen“ von mindestens 10.000 Euro drohen. Interessanterweise verhandeln SPÖ und ÖVP mit Branchenvertretern schon seit Längerem über die Einführung dieses Registers – also unabhängig vom Fall Strasser.

Die Kritik, dass Interessenvertreter wie etwa die Industriellenvereinigung oder die Kammern nicht von der Bestimmung betroffen sein sollen, lässt die Ministerin nicht gelten: „Interessenvertretung an sich muss weiterhin erlaubt sein.“ Warum sie – und möglicherweise auch die Kabinettsmitarbeiter von Ministern – nicht in das Register aufgenommen werden dürfen, sagt Bandion-Ortner aber nicht.

Weiters kündigt die Ministerin aber die Schaffung einer Gruppe von Staatsanwälten an, die sich darauf konzentriert, kriminell erworbenes Vermögen aufzustöbern. Diese Gruppe von speziell ausgebildeten Staatsanwälten soll ab September diesen Jahres im Einsatz sein. Auch strengeren Regeln für Abgeordnete würde sie sich nicht verschließen, sagt Bandion-Ortner. Sie selbst halte die derzeitigen Korruptionsbestimmungen „vorerst für ausreichend“, zumal mit der Novelle 2009 der Amtsträgerbegriff auf Abgeordnete ausgeweitet wurde. Zu einer Debatte, die vom Parlament selbst losgetreten werden müsste, sei sie aber bereit.

Lobbyistin Rauch-Kallat. Treffen könnten schärfere Regeln etwa die frühere ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat. Sie dürfte im Nationalrat schon bald Ursula Plassnik nachfolgen, die Botschafterin in Paris wird. Rauch-Kallat ist gemeinsam mit Wolfgang Rosam an einer großen Lobbying-Agentur beteiligt.

Von Seiten professioneller Lobbyisten reagiert man empört auf den Vorschlag: „Durch diesen Schnellschuss würden nur unabhängige Berater genannt, die überwiegende Mehrheit der politischen Lobbyisten von Institutionen, aber auch Banken und Versicherungen werden ausgelassen.“ Das sagt einer der wichtigsten Lobbyisten Österreichs, der auf das Vorbild Brüssel verweist, wo sich alle Lobbyisten in ein Register eintragen lassen müssen – „natürlich auch“ die Vertreter von IV und den Kammern.

Die SPÖ kostet die Affären der vergangenen Monate hingegen aus – seien sie doch vor allem der rechten Reichshälte zuzuschreiben. Konkret handle es sich um das „System Schwarz-Blau“, dass dem „Ansehen der gesamten heimischen Politik schadet“, so SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas im Gespräch mit der „Presse“.

„Bei den Skandalen rund um Strache, Scheuch, Grasser und Strasser wird mir übel – wie vielen anderen Menschen auch.“ Vor allem „FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache reagiert gar nicht auf Affären in seiner Partei.“ Speziell in der Causa Scheuch erwarte sie Konsequenzen. Die SPÖ, sagt Rudas, trete nun für „eine neue Form der Politik ein“. Was es brauche, um „die Menschen wieder für uns zu gewinnen, mobil zu machen und zu begeistern“, sei ein „Bündnis mit dem Wähler“.

So könne man auch gegen scheinbar übermächtige Lobbyisten gewinnen – etwa in der Frage der Atomkraft: „Bei den Protesten gegen das AKW Zwentendorf haben wir gesehen, welchen Druck man mit einem wütenden Volk aufbauen kann“, sagt Rudas.

„Ein gut mobilisiertes Volk ist stärker als jede Industrie-Lobby, die sich mit Geld ihre Öffentlichkeit erkaufen kann.“ Die SPÖ wolle daher noch stärker auf direkte Bürgerbeteiligung setzen – sei es bei der Energiewende oder in der Wehrpflicht-Debatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2011)

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