"Rekrut Dämlich" und "Kameltreiber" beim Bundesheer

"Rekrut Dämlich" und "Kameltreiber" beim BundesheerSymbolbild: Rekruten beim Schuhputz (c) APA (Roland Schlager)
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Obwohl die Gesamtzahl der Beschwerden im Jahr 2010 zurückging, gab es ein regeres Klagen bei den Grundwehrdienern. Beschimpfungen von Jungsoldaten fallen besonders ins Gewicht.

Die Beschwerden beim Bundesheer sind im Vorjahr deutlich zurückgegangen. Mit 337 eingebrachten Beschwerden waren es 2010 um knapp vierzig Prozent weniger als im Jahr 2009 (556 Beschwerden). Die meisten Meldungen betrafen erneut die Bereiche "Ausbildung und Dienstbetrieb" (49 Prozent). Das geht aus dem Jahresbericht der parlamentarischen Bundesheerkommission hervor, der am Freitag präsentiert wurde.

Der amtsführende Vorsitzende der Beschwerdekommission, Paul Kiss (ÖVP), verwies darauf, dass der Rückgang der Beschwerden einen "signifikanten Unterschied" zum Jahr 2009 darstelle.  SP-Vorsitzender Anton Gaal erklärte dazu, dies sei einerseits auf die gute Arbeit der Kommission zurückzuführen, andererseits auch auf die "guten Kontakte zu den Grundwehrdienern" sowie auf die "bestens ausgebildeten Ausbildner". Kiss betonte, dass es sich bei den "unverbesserlichen Ausbildnern" um Einzelfälle handle. Diese Fälle würden aber leider die "hervorragende Arbeit" der anderen überlagern.

Verfahren im 337 Fällen

Insgesamt wurden im Jahr 2010 an die parlamentarische Bundesheerkommission (früher Bundesheerbeschwerdekommission) 3568 Anfragen gerichtet. In 337 Fällen wurden Beschwerdeverfahren eingeleitet. Fünfzig Prozent der Beschwerden wurde Berechtigung zuerkannt. Von den Beschwerden waren 25 Prozent von Grundwehrdienern eingebracht worden - damit stieg der Anteil der Beschwerden von Grundwehrdienern gegenüber 2009 wieder etwas an (12 Prozent). Viele dieser Beschwerden gehen auf Beschimpfungen zurück, so wurde etwa ein Grundwehrdiener als "Rekrut Dämlich" oder ein Jungsoldat ägyptischer Herkunft als "Kameltreiber" gescholten. Die meisten Beschwerden (32 Prozent) wurden von Unteroffizieren eingebracht, jeweils 12 Prozent von Chargen und Offizieren, der Rest (19 Prozent) von sonstigen Personen.

Der Großteil der Beschwerden (49 Prozent) betraf die Bereiche Ausbildung und Dienstbetrieb. 32 Prozent bezogen sich auf Personalangelegenheiten, neun Prozent auf Sicherheits-, Disziplinar-und Beschwerdeangelegenheiten. Der Rest hatte die Bereiche Versorgung und Infrastruktur zum Inhalt.

--> Die Highlights der Beschimpfungen: "I reiß euch allen den Oarsch auf", "Ihr seid's solche Hurenkinda!" ...


Weniger Beschwerden von Soldatinnen

Weniger Beschwerden beim Bundesheer
Weniger Beschwerden beim Bundesheer(c) APA-Grafik (Martin Hirsch)

Von Soldatinnen gab es im Jahr 2010 nur drei Beschwerden, sechs weniger als im Jahr davor. Für Gaal sind die rund 370 Soldatinnen mittlerweile im Bundesheer "voll etabliert". Zu einer im Juli des Vorjahres erstellten Studie der TU Wien, in der eine besonders hohe drop-out-Rate bei den weiblichen Soldaten festgestellt wurde, sagte Gaal, dem sei man nachgegangen - dies stimme nicht. Die Zahlen würden sich zwischen Männern und Frauen die Waage halten. Das Ausscheiden aus dem Heer habe meist persönliche Gründe.

Einen "hohen Aufholbedarf" sieht Gaal nach wie vor bei der Thematik Kasernen-Renovierung. Hier müsse noch mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, lautete einmal mehr die Forderung.

Gefragt, ob man auch im Fall des von SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos abgesetzen Generals Edmund Entacher eine amtswegige Überprüfung durchführen werde, sagte Gaal, eine Überprüfung werde nur dann stattfinden, wenn sich Entacher an die Kommission wendet. Bisher sei das nicht geschehen. Gefragt, ob man dann auch die Vorwürfe von Darabos gegenüber Entacher prüfen werde, antwortete Gaal, man werde in diesem Fall "umfassend prüfen".

Darabos: Mitteilungen "sehr ernst" nehmen

SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos hat nach Vorlage des Jahresberichts der parlamentarischen Bundesheerkommission am Freitag betont, dass "jede einzelne Beschwerde" und "jeder einzelne aufgedeckte Missstand" sehr ernst genommen werde. Die Kommission sei ein wichtiges Organ, um sicherzustellen, dass "professionell und menschlich" gearbeitet werde, so der Minister in einer Aussendung. Gleichzeitig erklärte der Ressortchef, der Rückgang an Beschwerden zeige, "dass sich die Kommissions-Empfehlungen der vergangenen Jahre bereits positiv auf Ausbildung und Führung ausgewirkt haben".

(APA/Red.)

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