Die Politik der kleinen Schritte beginnt

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Werner Faymann und Michael Spindelegger trafen sich zur ersten Arbeitsbesprechung in ihrer neuen Rolle. „Harmonisch“ wäre als Beschreibung eine Untertreibung, so gut war das Verhältnis der beiden bis jetzt.

Am Mittwochabend trafen sich Bundeskanzler Werner Faymann und der noch designierte Vizekanzler Michael Spindelegger zur ihrer ersten großen Aussprache seit dem Abgang Josef Prölls. „Harmonisch“ wäre als Beschreibung eine Untertreibung, so gut ist das Verhältnis der beiden bisher gewesen. Die Entscheidung der ÖVP, Spindelegger als Parteichef und Vizekanzler und nicht etwa Maria Fekter oder Reinhold Mitterlehner aufzustellen, war von Faymann und seinem Team mit Begeisterung aufgenommen worden. So wie zwischen dem Kanzler und dem Außenminister stimmt die Chemie zwischen zwei Regierungsmitgliedern selten, nicht einmal innerhalb der Parteigrenzen.

Beide verbindet nicht nur eine gute Zusammenarbeit – Spindelegger durfte seinen Kanzler oft auf der internationalen Bühne vertreten. Beide haben die politische Ochsentour durch Landesparteien hinter sich, das verbindet. Beide gelten innerhalb ihrer Parteien als pragmatisch und stehen sich ideologisch – so das bei beiden überhaupt möglich ist – nahe. Faymann kennt den linken Flügel seiner Partei nur aus der Jugend und von den Parteitagen, Spindelegger formulierte die Kapitalismuskritik ähnlich wie ein SPÖ-Chef.

Michael Spindelegger präsentierte Faymann seine Positionen und referierte, wie er sich die Arbeit der Regierung beziehungsweise des ÖVP-Teams vorstelle. Ein nicht ganz unwichtiger Punkt ist dabei die künftige Vermarktung der Regierungsarbeit, die zwischen Faymann und Pröll nicht einmal möglich war, als es Erfolge vorzuweisen gab, wie die Bewältigung der Finanzkrise. Bisher haben sich die Kabinette von Kanzler und Vize misstrauisch beäugt und blockiert, das soll nun anders werden.

Spindelegger hat sich den von CDU-Chefin Angela Merkel 2006 verwendeten Begriff „Politik der kleinen Schritte“ ausgeborgt und will diese nun in der Regierung umsetzen. Josef Pröll hat den großen Wurf und Reformen versprochen und war damit gescheitert, Spindelegger will diesen Fehler vermeiden und gar nicht den Anschein erwecken, er könnte die großen Brocken bewegen.

Einer der härtesten Konfliktfelder, die sich SPÖ und ÖVP gleich vornehmen müssen, ist die Frage der Wehrpflicht, bei der sich beide Parteien unversöhnlich gegenüberstehen und die für Spindelegger zur medial beobachteten Fahnenfrage wird. Es war der Außenminister, der innerhalb der ÖVP bisher die Position bei diesem Thema vorgab: Das bisher unveröffentlichte ÖVP-Papier zur „Wehrpflicht neu“ trägt seine Handschrift und liegt in seiner Schreibtischschublade.

Für die SPÖ geht es ebenfalls um ein wichtiges symbolisches Thema: Nach Wiens Bürgermeister Michael Häupl haben sich auch Bundeskanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Norbert Darabos unter dem Applaus der „Krone“ auf die Abschaffung der Wehrpflicht festgelegt. Gesucht wird nun ein Kompromiss, der es beiden Seiten erlaubt, das Gesicht zu wahren: Diskutiert werden koalitionsintern unter anderem eine „Verstärkung des Freiwilligenanteils beim Heer“ unter gleichzeitiger probeweiser Aussetzung der Wehrpflicht bis zu einer theoretischen Beibehaltung der Verpflichtung zum Präsenz- und Ersatzdienst, der sich junge Männer aber durch einen Nachweis einer Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit leicht entschlagen könnten. Da das ÖVP-Papier noch nicht bekannt wurde, hat Spindelegger noch einigen Spielraum.

In einem Punkt sind sich beide Parteichefs naturgemäß einig: Gemeinsam will man gegen den Umfragensiegeszug Heinz-Christian Straches vorgehen. Die immer realistischer werdende Vorstellung, Strache könne Nummer eins oder zumindest bequem Nummer zwei bei den kommenden Wahlen werden, müsse zu gemeinsamem Handeln der Ex-Großparteien führen, so die dieser Tage häufig formulierten Bekenntnisse in beiden Parteien.

Nach dem erfolgreichen Abschneiden der finnischen Rechtspopulisten mit ihrer scharfen Kritik an der EU und dem milliardenschweren Euro-Rettungsschirm bei den Wahlen vergangenen Sonntag erwarten SPÖ und ÖVP zu Recht noch deutlicher als bisher, dass Heinz-Christian Strache voll auf dieses Thema setzen wird. Die Entscheidung Spindeleggers, Innenministerin Maria Fekter das Finanzministerium zu übergeben, stand unter dem Eindruck dieser Einschätzung. Die Innenministerin soll nicht nur für strenge Budgetdisziplin sorgen, sondern auch für die Notwendigkeit des Euro-Rettungsschirms Stimmung machen.

Sensibel bleibt das Thema EU-Politik freilich auch zwischen Faymann und Spindelegger: Der Kanzler gilt als deutlich EU-kritischer, Spindelegger versucht hingegen, Faymann zu einem positiveren Eintreten für Brüssel zu bewegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2011)

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