"Wenn wir so weitermachen, verarmt die Mittelschicht"

(c) Clemens Fabry
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BZÖ-Chef Bucher versteht sich als Robin Hood der kleinen und mittleren Betriebe. Die Hacklerregelung hält er für gerechtfertigt und äußert sich zu Gerüchten über die Gründung einer wirtschafsliberalen Partei.

Die Presse: Wurden Sie wegen der Gründung einer neuen österreichischen Wirtschaftspartei kontaktiert? Sie werden wieder als möglicher Mitstreiter einer solchen Bewegung genannt.

Josef Bucher: Gespräche mit Wirtschaftskapitänen gibt es immer. Da wird über deren politische Vorstellungen gesprochen. Aber über die Gründung einer Partei hat niemand mit mir gesprochen.

Aber Sie kennen das Gerücht und seinen sehr wahren Kern?

Das kennt jeder politisch interessierte Mensch in dieser Stadt. Ich deute das Gerücht als enorme Unzufriedenheit innerhalb der ÖVP – bis hin zu Spaltungstendenzen.

Man könnte es aber auch als Unzufriedenheit mit dem BZÖ werten: Sie schaffen es offenbar nicht, als wirtschaftsliberale Partei wahrgenommen zu werden, sonst würde es keinen Grund geben, die Gründung einer solchen Gruppierung zu überlegen.

Das ist keine Unzufriedenheit mit uns, sondern vielleicht Unkenntnis. Manche wissen offenbar nicht über unsere Reformbestrebungen Bescheid, unsere Forderungen und Pläne, das Land zu verändern. Aber ich gebe zu, dass wir Tabuthemen wie etwa die Zusammenlegung von Gemeinden künftig noch mutiger aufgreifen müssen, damit die Unzufriedenen inner- und außerhalb der ÖVP erkennen, dass wir die echte bürgerliche Kraft sind.

Sie vertreten entgegen Ihren Aussagen in vielen Bereichen keine ausgeprägt wirtschaftsliberalen Positionen. Sie befürworten etwa die Fortführung der Hacklerpensionsregelung.

Ich bin für eine Hacklerregelung für alle, die 45Jahre gearbeitet haben und dann in Pensionen gehen dürfen. Ich bin aber dagegen, dass Beamte diese Regelung als Fluchtkorridor in die Frühpension ausnützen, indem sie sich Pensionszeiten erkaufen, ohne wirklich gehackelt zu haben. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die Schwerarbeiter- und Hacklerregelung zusammenführen können. Ein 60-Jähriger, der 45Jahre schwer gearbeitet hat, kann nicht mehr am Bau schleppen, während sich manche Beamte nur hinter ihren Schreibtischen versteckt haben.

Das klingt nach Jörg Haider. Aber eine wirtschaftsliberale Partei treibt normalerweise nicht in erster Linie die Sorge um den 60-jährigen Bauarbeiter.

Ich antworte Ihnen, wenn Sie mich danach fragen.

Ich frage, weil das in Aussendungen Ihrer Partei seit Tagen Thema war.

Natürlich beziehen wir zu aktuellen Themen Stellung. Und eines sage ich schon ganz klar: Da wir zu allen politischen Aufgaben Positionen haben, werden wir nicht nur über die Senkung der Steuern reden. Wenn es in einem Land Ungerechtigkeiten gibt, werden wir das auf jeden Fall aufzeigen. Wirtschaftsliberalismus wird in Österreich leider gerne mit Neoliberalismus verwechselt. Das sind wir nicht, ich sage Ihnen etwa, dass es immer stärker zu einer Verselbstständigung von Kapital kommt. In großen Konzernen wechseln ständig die Manager, es geht dort ausschließlich um Profit, und von den Eigentümern gibt es keine echte Verantwortung wie in kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Ein Wirtschaftsliberaler nimmt Wörter wie Profit nicht so abfällig in den Mund. Das ist doch nichts Negatives?

Profit ist nichts Negatives, aber wenn man die sozialen Standards vernachlässigt, wie es bei den Leiharbeitern passiert, das schon. Wir haben jetzt 100.000Leiharbeiter in Österreich. Die nimmt man zur Überbrückung von Produktionsspitzen auf. Und dann baut man sie wieder ab. Die kleinen Unternehmer, das sind 80Prozent der Betriebe, haben bis zu acht Mitarbeiter. Die beschäftigen sie auch über den Zeitraum, wo die Auftragsbücher nicht voll sind, während sich die größeren Konzerne mit Leiharbeitern aushelfen und Kleine einfach schlucken. Ich sage nicht, dass es falsch ist, mit Leiharbeitern zu arbeiten. Aber man muss die Balance halten, weil die Großen die Kleinen kaputtmachen. Ich vertrete die 80, nicht die 20 Prozent. Wenn Sie meinen Lebenslauf anschauen: Ich war das. Ich habe für meine Kredite gehaftet. Das hat kein vergleichbarer Politiker jemals gemacht. Die einzigen Arbeitsplätze, die die schaffen, sind Putzfrauen oder Kinderbetreuung in der eigenen Familie.

Jörg Haider hat sich immer als Robin Hood gesehen, sind Sie der Robin Hood der KMU?

Wenn wir so weitermachen, führt das zu einer neuen Armut der Mittelschicht. Dann haben wir wirklich ein Problem. Das sind nämlich die wahren Leistungsträger. Das sind die, die überproportional mehr arbeiten und mehr Steuern zahlen.

Sie haben vor Kurzem gefordert, die Mehreinnahmen aufgrund eines besseren Wirtschaftswachstums für den Familienbereich zu verwenden. Wäre es nicht besser, das Geld zur Defizitabdeckung zu verwenden?

Die Keimzelle der Gesellschaft ist die Familie. Wir müssen es attraktiver gestalten, dass junge Mütter gerne Kinder bekommen, dass es für sie leistbar ist. Wir brauchen die jungen Menschen für die Aufrechterhaltung unseres Leistungsstaates, die Alternative dafür wäre, einen ungezügelten Zuzug zuzulassen. Wir brauchen Zuwanderung, aber wir brauchen eine geordnete und geregelte Zuwanderung.

Meine Frage war, ob Sie die Sparmaßnahmen im Familienbereich zum Teil zurücknehmen wollen würden?

Die Familienförderung gehört aus meiner Sicht ausgeweitet. Ich habe drei Kinder. Gerade die Familien brauchen 90Prozent des Einkommens für Konsum. Da könnten Sie nichts auf die Seite legen. Das ist die schwierigste Zeit in der Lebensphase, in der man sich ein Haus, eine Wohnung, irgendetwas anschafft, in der man Kredite aufnimmt, Haftungen unterschreibt und das Geld am knappsten ist. Wir müssen in diese Lebensabschnitte von der Politik her eingreifen. Daher brauchen die Familien mehr Geld.

Die Schuldenentwicklung in Österreich ist dramatisch. Und Sie überlegen sich, wie man mehr Geld ausgeben könnte.

Sie haben mich falsch verstanden. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Haushaltspolitik eine völlig falsche ist. Für eine solche Verwendung zusätzlicher Steuereinnahmen habe ich deshalb argumentiert, weil die Familien derzeit das Geld brauchen und das Geld eins zu eins in die Wirtschaft geht.

Das ist nicht etwas, was man normalerweise unter einer wirtschaftsliberalen Parteiforderung verstehen würde.

Ich bin generell gegen Förderungen. Ich bin für geringere Steuern, das ist der Hauptansatz. Nur solange wir keine Steuerreform zusammenbringen, die niedrigere Steuern mit sich bringt, muss man Familien dennoch helfen.

Zur Person

Josef Bucher, 45, wurde von Jörg Haider in die Politik geholt. Seit 2002 sitzt der Kärntner im Nationalrat (zunächst für die FPÖ), davor war er im Tourismus und Gastgewerbe beschäftigt. Unter anderem führte Bucher das Hotel seiner Familie in Friesach. Nach Haiders Tod stieg er zum Klubobmann und Bündnissprecher des BZÖ auf. Bucher ist verheiratet und Vater von drei Söhnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2011)

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