SP-Parteitag: "Revolution" bei der Häupl-Show

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Minus neun Prozent für Bürgermeister Häupl bei der Wahl des Landesparteivorstands. Die Wiener Genossen straften die Parteispitze ab.

Das war deutlich. Die Abstimmung über den Landesparteivorstand am Ende des 66. Landesparteitages geriet für die Parteigranden zum Desaster: Michael Häupl erhält um 9 Prozent weniger Stimmen: 89,2 Prozent statt 98,1 Prozent wie noch vor zwei Jahren, als der bevorstehende Wahlkampf die Genossen eng zusammenrücken ließ. Nur bei seinem ersten Antreten 1993 lag er schlechter (83,1%). Seine Stellvertreterin, die Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner, stürzt gleich um 12 Prozent ab – von bescheidenen 84,8 Prozent auf 72,1 Prozent. Nur Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, neu im Vorstand, steigt mit 90,3 Prozent relativ gut aus. Was für Spekulationen sorgt, weil Brauner und Ludwig als potenzielle Nachfolger Häupls gelten.

Aber was ist da am Samstag bloß passiert? Dabei hat es gut begonnen: Die Gesten routiniert, die Pointen präzise und der Atem lang: Eine knappe Stunde dauert die Rede des Wiener Bürgermeisters, das programmatische Kernstück zu Beginn des Parteitages. Und zu keinem Zeitpunkt merkt man Michael Häupl an, dass er sich in keiner erfreulichen Lage befindet. Er hat im vergangenen Herbst die Absolute verloren, die FPÖ hat stark zugelegt, und seine Koalition mit den Grünen hat viele Genossen in den Flächenbezirken anfangs gar nicht gefreut. Trotzdem: Nach der Rede brandet Applaus auf.

Doch als es an die Abstimmung über die Anträge geht, merkt man eine Veränderung der Stimmung. „Kleine Revolution“ kommt im Austria Center vielen Genossen über die Lippen – mit verstohlenem Lächeln. Schon im Vorfeld war klar, dass das kleine Glücksspiel die Partei spalten könnte. Und tatsächlich: Entgegen des Vorschlags der Antragskommission stimmen die Delegierten für eine sofortige Annahme des Verbots. Da auch die Grünen für ein Verbot sind, müsste konsequenterweise die Umsetzung im Landtag erfolgen. Das heißt: keine Lizenzen für Automatenspiele – und ein Minus bei den Einnahmen der Stadt von 60 Mio. Euro. Aber es ist nicht der einzige Antrag, wo anders entschieden wird. Auch beim Einkommen für Lehrlinge und der Abschaffung der Privilegien von Privatstiftungen setzt die Basis (1200 Delegierte und Gäste) auf linke Signale und nimmt die Anträge gleich an, als etwa den Gemeinderatsklub darüber entscheiden zu lassen. Die Zuweisung von Anträgen an den Klub oder den Landesparteivorstand seien nämlich ein „Begräbnis erster Klasse“ für unliebsame Themen, beschreibt es ein Delegierter. Den Widerspruch der Basis wertet er „als positives Zeichen für lebendige Demokratie“. Und als Protest dagegen, dass heuer viele Anträge elegant hätten entsorgt werden sollen. Für Häupl ist das mehr als ein unangenehmer Regiefehler.

Wer ist Leistungsträger? Was den Inhalt betrifft, so haben sich Häupl und sein Ex-Wohnbaustadtrat, Kanzler Werner Faymann, bei ihren Reden auf den Schwerpunkt Verteilungsgerechtigkeit geeinigt, Seitenhiebe auf die Bundes-ÖVP inklusive. „Leistungsträger ist für mich jemand, der hart arbeitet. Den erkennt man nicht an den Millionen, sondern oft daran, dass er hart arbeitet und trotzdem alle Hände voll zu tun hat, um zu überleben“, so Faymann. Auf EU-Ebene plädiert er für eine Finanztransaktionssteuer. Und es gehe um die Frage, „ob die öffentlichen Haushalte künftig dazu da sind, die Gewinne zu privatisieren und die Verluste zu sozialisieren.“ Er könne die jungen Leute, die in Spanien demonstrieren, „gut verstehen“, sagt Faymann. Dass Spanien von Genossen regiert wird, sagt er nicht. Europa, das von der Sozialdemokratie gerettet werden müsse, ist auch in Häupls Rede präsent. Der Neoliberalismus, die Ratingagenturen hätten Europa krank gemacht, es gehe darum, dass die Politik „ihre Entscheidungsfreiheit“ wiedergewinne. Dazu brauche es aber stabile öffentliche Haushalte, die wiederum Mittel bräuchten, aber sich auch einer „Aufgabenkritik“ unterziehen müssten. Denn einiges sei „antiquiert“, sagt der Bürgermeister – was genau, bleibt offen. Und weiter zur Wirtschaft: Es steige die Zahl derer, die von ihrer Arbeit nicht leben können. „Das geht ned!“ Szenenapplaus. Was für Häupl auch nicht geht: die „Blockade“ der Bundes-ÖVP bei der Bildung, und dass man in Wien am Wochenende mit einem kranken Kind in die Ambulanz müsse, weil kein niedergelassener Arzt Dienst habe.

Goebbels-Vergleich.
Keine Häupl-Rede ohne Strache. Der FPÖ-Chef, den Häupl nie namentlich nennt, solle lieber über Österreichs 1,2 Mrd. Euro für Griechenland schweigen und besser über die 20 Mrd. für die Hypo reden: „Der Herr, der sich da so aufregt, hat so viel Butter am Kopf, dass er wie ein Germknödel ausschaut.“ Und, so Häupl weiter: Manche „Erscheinungen“ heute würden ihn an Joseph Goebbels Buch „Der Kampf um Berlin“ erinnern: Früher seien die Juden und die Demokratie die Sündenböcke gewesen, heute die Ausländer allgemein. Dagegen helfe nur, „Klartext zu reden“. Beim Thema Integration plädiert Häupl für ein überparteiliches „Bündnis aller, die guten Willens sind“. Zum Schluss gibt es einen Schuss Selbstkritik: Es gebe in der Stadt ein „nicht unerhebliches Frustpotenzial“. „Wir erreichen zwar die Köpfe der Menschen, aber nicht die Herzen“, sagt Häupl. Die heißen Herzen der Genossen wird er aber nicht gemeint haben.

Der Landesparteitag

Der Landesparteitag ist das oberste Gremium der Partei. Einerseits geht es um die Abstimmung über diesmal knapp 100 Anträge – wobei nicht alle direkt in die Kompetenz des Landes fallen, sondern als Signal an den Bund gedacht sind. Als wichtigste Landespartei der SPÖ hat die Stimme der Wiener Partei immerhin einiges an Gewicht. Zudem wurde heuer auch der Landesparteivorstand gewählt bzw. bestätigt. Dies passiert im Zweijahresrhythmus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2011)

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