Wende: "Große Töchter" bald in der Hymne

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Wende: "Große Töchter" bald in der Hymne(c) APA/HANS KLAUS TECHT (Hans Klaus Techt)
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Nach einem Schulterschluss von SPÖ, ÖVP, BZÖ und den Grünen wird die Änderung der Bundeshymne noch im Herbst angepeilt. Im Jahr 2012 soll dann die umstrittene Textzeile der Hymne aus dem Jahr 1947 neu erklingen.

Wien. Die Frauen kommen nach 65 Jahren wohl doch noch in die Bundeshymne. „Heimat großer Töchter, großer Söhne“ oder „Heimat großer Töchter und großer Söhne“: Voraussichtlich in einer dieser Variationen soll die umstrittene Textzeile der Hymne aus dem Jahr 1947 ab 2012 erklingen. Möglich machen soll die Textänderung ein Schulterschluss aller Parlamentsparteien – mit Ausnahme der FPÖ, die sich weiterhin gegen ein „Herumdoktern“ (so Frauensprecherin Carmen Gartelhuber) an der Hymne sperrt.

Jetzt aber das Einlenken auch der ÖVP: Parteichef Vizekanzler Michael Spindelegger hatte im ORF-„Report“ am Dienstagabend nach parteiinternen Querelen die Weichen gestellt – und sich „aufgeschlossen“ gegenüber einer Bekundung des Respekts für die Frauen gezeigt. Davor hatte Klubobmann Karlheinz Kopf mit ÖVP-Abgeordneten vergangenen Freitag noch einen entsprechenden parlamentarischen Antrag von Maria Rauch-Kallat (ÖVP) und Vertreterinnen anderer Parteien boykottiert.

„Längst überfällig“

Am Ende dürften die Frauenpolitikerinnen aller Parteien – außer der FPÖ – doch noch triumphieren. Am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien präsentierten die Frauensprecherinnen von SPÖ, ÖVP und Grünen den Fahrplan, den sie bis Jahresende verfolgen wollen: Am 21. September soll die geplante Textänderung in einer ersten Lesung im Plenum behandelt werden, im Oktober dann im Verfassungsausschuss. „Ab 1. Jänner 2012 hoffe ich, dass wir die Hymne zeitgemäß singen“, so Gisela Wurm von der SPÖ. „Dafür ist ein kleiner, kurzer Beschluss notwendig, dann haben wir eine wichtige Nebensache – unter Anführungszeichen – aus der Welt geschafft“, sagte sie zum Beschluss, für den es mindestens die Hälfte aller 183 Stimmen im Nationalrat braucht.

Es sei „längst überfällig“, meinte ÖVP-Frauensprecherin Dorothea Schittenhelm: In Österreich gebe es so viele „großartige Frauen und Männer“ – und es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass sich dies in der Bundeshymne widerspiegelt. Die „Herren Kollegen“ ihres Parlamentsklubs seien nun ebenfalls auf Kurs, nachdem Spindelegger sich „ganz klar“ positioniert habe. Sie, Schittenhelm, gehe davon aus, dass der ÖVP-Klub im Herbst „zu 90 Prozent zustimmen“ werde.

Die neue Linie für eine Textänderung bestätigte am Mittwoch, wenngleich gedämpft, auch der ÖVP-Klub: Ein Sprecher von Klubobmann Kopf meinte, dieser stehe „so wie der Parteiobmann dem Anliegen aufgeschlossen gegenüber“. Nach der Sommerpause des Parlaments werde das Thema – „wie andere Themen auch“ – in der Klubsitzung behandelt.

In der SPÖ gibt es traditionell große Zustimmung für die „großen Töchter“ in der Hymne. Sie „gehe davon aus, dass von uns alle zustimmen werden“, sagte Gisela Wurm. Sie hätte auch Sympathie für eine öffentliche, also namentliche Abstimmung, damit jeder in Österreich nachvollziehen könne, welcher Politiker sich wie positioniert hat.

Töchterle: Völlig neuer Text?

Für die Grünen sagte Frauensprecherin Judith Schwentner, „die Geschlossenheit ist bei uns keine Frage“. Die Grünen haben bereits in den Vorjahren parlamentarische Anträge auf Gleichbehandlung im Text der Bundeshymne gestellt. Auch das BZÖ will beim neuerlichen Anlauf von Schwentner, Schittenhelm und Wurm dabei sein, signalisierte Frauensprecherin Martina Schenk. Die FPÖ bleibt hingegen hart: „Heimat bist du großer Söhne“ ist für sie genug.

In der ÖVP gibt es nun offenbar noch grundsätzliche Bedenken, ob man den Hymnentext der Schriftstellerin Paula von Preradović antasten darf. „Niemand hat das Recht, in einen poetischen Text einzugreifen“, meinte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle laut Austria Presse Agentur am Mittwoch am Rande eines Termins in Innsbruck. „Das ist wie wenn man eine Skulptur umbaut.“ Eher solle man überlegen, ob nicht überhaupt ein neuer Text für die Hymne gefunden werden müsse. „Heimat bist du großer Söhne“ durch „Heimat großer Töchter, Söhne“ zu ersetzen sei „grammatikalisch grenzwertig und ästhetisch ein Gräuel“, sagte bereits Sprachwissenschafter Franz Patocka vom Institut für Germanistik der Universität Wien.

Die Frauensprecherinnen von SPÖ, ÖVP und Grünen erklärten, sie könnten sich vorstellen, noch den Rat von Expertinnen und Experten für Sprache und Musik einzuholen, ehe im Parlament über den neuen Text entschieden wird. Über einen rundum neuen Text wolle man vorerst nicht nachdenken.

Schon einmal, vor der offiziellen Einführung 1947, war der Text Paula von Preradovićs geringfügig geändert worden. Unter anderem von „Großer Väter freie Söhne“ in das strittige „Heimat bist du großer Söhne“.

Auf einen Blick

Mit dem Ministerratsbeschluss vom 25. Februar 1947 wurde die österreichische Hymne offiziell eingeführt. Der Text von Paula von Preradović lautet seither wie folgt:

1.Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat bist du großer Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
vielgerühmtes Österreich (2x).

2.Heiß umfehdet, wild umstritten
liegst dem Erdteil du inmitten,
einem starken Herzen gleich.
Hast seit frühen Ahnentagen
hoher Sendung Last getragen,
vielgeprüftes Österreich (2x).

3.Mutig in die neuen Zeiten,
frei und gläubig sieh uns schreiten,
arbeitsfroh und hoffnungsreich.
Einig lass in Brüderchören,
Vaterland, dir Treue schwören,
vielgeliebtes Österreich (2x).

Aus dem „Heimat bist du großer Söhne“ wollen Vertreterinnen von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen nun etwa „Heimat großer Töchter (und) großer Söhne“ machen. Nach Widerständen im ÖVP-Klub signalisierte Parteichef Michael Spindelegger am Dienstag, er stehe einer Änderung „aufgeschlossen“ gegenüber. Frauenpolitikerinnen aller Parteien – außer der FPÖ – rechnen nun damit, dass der neue Text im Herbst im Nationalrat beschlossen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)

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