Minister Rudolf Hundstorfer will "Verhältnisse wie in London verhindern“ und deshalb die Arbeitslosigkeit unter Migranten reduzieren. Diese sind doppelt so stark betroffen wie Österreicher.
Wien. Rudolf Hundstorfer will „in Österreich Verhältnisse wie in London verhindern“ und deshalb „die Arbeitslosigkeit unter Migranten reduzieren“. Als ersten Schritt fordert der Arbeits- und Sozialminister eine Erweiterung der Kompetenzen des Arbeitsmarktservice: So soll das AMS künftig auf Informationen zur Staatsbürgerschaft seiner Kunden zugreifen können. Es helfe, wenn „Migranten ein Mascherl haben“, erklärt AMS-Sprecher Ernst Haider. So könne man schon vor dem ersten Gespräch Maßnahmen ins Auge fassen, um die Jobsuche zu erleichtern.
Aktuell weiß das AMS zwar, dass 32 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen einen Migrationshintergrund haben. Dazu zählen in erster Generation Ausländer und Personen mit dokumentiertem Wechsel der Staatsbürgerschaft sowie in zweiter Generation mit ihnen Mitversicherte. Die Daten werden von den Sozialversicherungsträgern erhoben und dem AMS im Kollektiv übermittelt. „In einzelnen Fällen weiß der Berater aber nicht, ob der Arbeitslose ein Migrant ist oder nicht“, erklärt AMS-Chef Johannes Kopf.
Nicht nur die Sprache als Problem
Zumeist sei der Migrationshintergrund zwar „wegen sprachlicher Probleme ohnehin offensichtlich“, sagt Kopf. Aber nicht immer. Einige Migranten sprächen ausgezeichnetes Deutsch, seien aber kulturell nicht gut integriert. Das behindere sie oftmals bei der Arbeitsplatzsuche. Mit entsprechenden Angeboten, etwa Beratungen durch Migrantenvereine, könne man dieses Hindernis bekämpfen– wenn man von dem Migrationshintergrund wisse.
Ob Hundstorfer (SPÖ) mit seinem Vorstoß erfolgreich sein wird, wird sich im Herbst zeigen. Dann soll das Parlament darüber abstimmen. Die Chancen auf Unterstützung durch die ÖVP stehen gut: „Wir begrüßen den Vorschlag“, heißt es aus dem Büro von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz. „Viele haben die österreichische Staatsbürgerschaft, sind aber kulturell nicht integriert“, sagt ein Sprecher von Kurz. Da müsse man mit kulturellen Trainingsprogrammen helfen.
Allerdings könnte die Weitergabe der Informationen von den Sozialversicherungsträgern an das AMS datenschutzrechtliche Probleme mit sich bringen. „Wenn die Angst vor Stigmatisierung größer ist als die Chance, die sich bietet, können wir eben nicht zielgerichtet entscheiden“, warnt Kopf aber vor einer Ablehnung.
Dass Österreich Probleme hat, Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist unbestritten. Die allgemeine Arbeitslosigkeit liegt bei 5,6 Prozent, unter Zuwanderern ist sie mehr als doppelt so hoch (siehe Grafik). Doch scheint unklar, wie ein „Mascherl“ für arbeitslose Migranten helfen könnte. Nahezu alle AMS-Programme für Migranten zielen auf sprachliche Defizite ab. Diese erkennt ein Betreuer ohnehin – auch ohne die Staatsbürgerschaft zu wissen.
Mehr Deutsche als Türken
Die meisten in Österreich lebenden Ausländer kommen übrigens mittlerweile aus Deutschland (220.000), gefolgt von Serbien (209.000), der Türkei (185.000) sowie Bosnien (131.000). Knapp ein Drittel der Zuwanderer hat maximal die Pflichtschule absolviert, rund 15 Prozent sind Akademiker.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2011)