„Schwarz-blau war Anlass für politische Landschaftspflege“

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Die Causa Telekom ist kein Einzelfall. Korruption in Österreich nimmt zu. Juristen kritisieren Lücken im Strafrecht. Das Problem bleibt aber nicht auf die Reihen hochrangiger Politiker beschränkt.

Wien. Österreichs Korruptionsbekämpfer sind einer Meinung: Mit dem Kampf gegen die Bestechung geht es im ganzen Land bergab. Jüngstes Beispiel: die Korruptionsaffäre rund um die Telekom Austria.

Politikwissenschaftler Hubert Sickinger sieht den Ursprung dieses Falles im Regierungswechsel des Jahres 2000. In Zeiten der SPÖ-Regierung war die Telekom „politisch immer gut vernetzt“, sagt er. Erst mit der schwarz-blauen Regierungsära habe sie einen „Anreiz für politische Landschaftspflege“ gehabt. Der Regierungswechsel sei gewissermaßen zur „Nagelprobe für die Bereitschaft der Telekom zur Korruption“ geworden.

Das Phänomen der Bestechlichkeit bleibe jedoch keineswegs auf die Reihen hochrangiger Politiker beschränkt, sagt der ehemalige Präsident des Rechnungshofes, Franz Fiedler, der nun Präsident des Beirats bei Transparency International (TI) Österreich ist – auch die Bevölkerung begegne dem Thema mit einem Augenzwinkern.

In einem von Transparency International erstellten Ranking der „sauberen“ Staaten rutschte Österreich innerhalb der vergangenen rund fünf Jahre von Platz zehn auf Platz 15 ab und liegt damit nur noch im europäischen Mittelfeld.

Fiedler ortet vor allem ein Problem: Das staatliche Vorbild fehlt. Der Gesetzgeber mache beim Korruptions-Strafrecht „Bocksprünge“, mit der Änderung 2009 habe er zuletzt ein „verheerendes Signal“ gesendet. Denn damals wurde – nur ein Jahr nach dem Inkrafttreten – eine Regelung zurückgenommen, die es strafbar gemacht hätte, sich einen Amtsinhaber „warmzuhalten“, indem man ihn mit Geldgeschenken bedenkt, ohne dass es zum Zeitpunkt der Geld-Übergabe eine Gegenleistung gibt.

„Korruptions-Strafrecht ist ziemlich tot“

Die Vorgangsweise der Politik lasse starke Zweifel aufkommen, dass sie die Korruptionsbekämpfung ernsthaft angehe, sagte Fiedler. Mit dem Effekt, dass die Menschen den Eindruck bekommen, es sei „eh nicht so schlimm“. Rückendeckung bekommt Fiedler vom Strafrechts-Experten Helmut Fuchs von der Universität Wien. „Das heimische Korruptions-Strafrecht ist ziemlich tot“, sagt er. Denn die Tatbestände seien teilweise so kompliziert formuliert, dass sie nur schwer angewendet werden können.

Auch Fuchs sieht beträchtliche Lücken im Gesetz seit der letzten Änderung 2009. So ist nicht nur das Schmieren ohne Anlassfall kein Straftatbestand, was in der Praxis ein echtes Problem darstelle: Denn Bestechung erfolge tatsächlich ja nicht als solche deklariert, sondern „subtiler“. Zudem unterlägen auch die Vorstandsmitglieder eines im Staatseigentum befindlichen Unternehmens nicht den strengeren Regeln für die öffentliche Verwaltung, sondern denselben wie private Firmen, führt Fuchs aus.

IV und Wirtschaftskammer wortkarg

Ökonom Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz plädiert für eine ähnlich „rigorose Gesetzgebung“ wie in den skandinavischen Staaten, die weit ärmer an Bestechungsfällen seien. Dort seien Firmen, die beim Schmieren erwischt werden, jahrelang von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Die „Kosten-Nutzen-Rechnung“ der Bestechung sehe völlig anders aus. Dass die aktuellen Vorfälle rund um die Telekom den Schluss auf eine grassierende Korruption im Lande zulassen, glaubt Schneider unterdessen nicht. „Fünf Sechstel der Firmen haben Erfolg, weil sie gute Produkte erzeugen“, so der Ökonom.

Das ist Wasser auf die Mühlen der Interessenvertreter der heimischen Wirtschaft. Die halten sich nämlich, angesprochen auf die jüngsten Skandale, auffallend zurück. Weder die Industriellenvereinigung (IV) noch die Wirtschaftskammer wollten die aktuelle Korruptionsaffäre rund um ihr Mitglied Telekom Austria kommentieren.

Korruption, so scheint es, ist für die institutionellen Lobbyisten der Wirtschaft kein allzu großes Thema. „Österreich zählt im internationalen Vergleich zu den Staaten mit geringer Korruption“, zeigte sich etwa IV-Generalsekretär Christoph Neumayer überzeugt. Jene „Einzelfälle“, die es gebe, müssten „konsequent verfolgt und entsprechend geahndet werden“. Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl stößt ins gleiche Horn: Da, wo es zu Verfehlungen gekommen ist, müsse aufgeklärt und gestraft werden.

Auf einen Blick

Juristen sehen einige Lücken im heimischen Strafrecht, in dem der Tatbestand der Bestechung geregelt ist. So ist nur strafbar, wer für sein Geld eine Gegenleistung in Form einer Amtshandlung (oder -unterlassung) erhält. Lässt man einem Amtsinhaber bloß Geld zukommen, um ihn geneigt zu stimmen, bleibt das ohne Konsequenzen. Die Regelung wurde 2008 verschärft und 2009 schon wieder aufgehoben. Die Politik setze damit ein „verheerendes Signal“, sagt Ex-Rechnungshofpräsident und Korruptionsbekämpfer Franz Fiedler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2011)

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